Kein Sturm auf die Moderne Galerie

Saarbrücken. Stell dir vor, das Saarland Museum beteiligt sich mit einer formidablen Fotografie-Ausstellung am Mono-Projekt der Museen der Großregion - und keiner kriegt's mit. Das kann passieren. "Mono" ist als Marke nicht eingeführt, und zeitgenössische Kunst ist in der Regel kein massentaugliches Produkt

 Die Roland-Fischer-Ausstellung in der Modernen Galerie hat sich nicht als Eisbrecher für ein größeres Publikum erwiesen. Foto: Iris Maurer

Die Roland-Fischer-Ausstellung in der Modernen Galerie hat sich nicht als Eisbrecher für ein größeres Publikum erwiesen. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Stell dir vor, das Saarland Museum beteiligt sich mit einer formidablen Fotografie-Ausstellung am Mono-Projekt der Museen der Großregion - und keiner kriegt's mit. Das kann passieren. "Mono" ist als Marke nicht eingeführt, und zeitgenössische Kunst ist in der Regel kein massentaugliches Produkt. Aber stell dir vor, dass nach rund 18 Monaten Schließungsphase das bedeutendste Museum des Saarlandes, die Moderne Galerie, endlich wieder offen - und keiner geht hin.Das kann erschüttern. Keiner ist natürlich nicht ganz korrekt. In vier Monaten kamen laut Zählung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz 3242 Besucher in die Roland-Fischer-Schau. Die schließt am 4. November, schätzungsweise weit unter der 5000er-Marke. Zum Vergleich: Im Jahr 2009, als die Stiftungs-Welt vor den Bau- und Spesen-Skandalen noch in Ordnung war, stürmten in den ersten 14 Tagen nach Eröffnung 6116 Besucher die Chagall-Ausstellung. Die erreichte, obwohl "nur" Druckgrafik gezeigt wurde, in nur drei Monaten über 30 000 Besucher.

Das Jahr 2010 wurde mit 243 000 Besuchern sogar zum Rekordjahr seit Bestehen der Stiftung. Dagegen nehmen sich die aktuellen Zahlen wie Zwergenreich-Größen aus. Denn nicht nur die Moderne Galerie, auch die Museen am Schlossplatz (Alte Sammlung, Schlosskirche, Museum für Vor- und Frühgeschichte) sind in der Resonanz auf einen Tiefststand gestürzt: Zwischen Juni und Oktober verkaufte man dort nur 2901 Tickets. Trotz viel "Aktion", die Interims-Vorstand Meinrad Maria Grewenig zur Belebung verordnete: Michael-Seyl-Lichtinstallation, Pilger-Projekt, "Zauber der Landschaft"-Schau und "Blaue Pferdchen"-Präsentation. Gleichzeitig schaffte der Stiftungs-Chef den freien Eintritt ab. Seit Juni kostet der Zugang zu den drei Museen sieben Euro. Die müssen auch diejenigen bezahlen, die nur eine Stippvisite in der Schlosskirche vorhaben. 2009 zählte man dort 49 144 Besucher. Auch die Alte Sammlung profitierte vom "Durchlauf": 23 591 Besucher kamen. Eine heute utopisch erscheinende Zahl.

Fährt der Stiftungs-Interims-Chef Meinrad Maria Grewenig den richtigen Kurs? Er selbst ist davon überzeugt. "Wir müssen die Infrastruktur der Stiftungsmuseen fit machen und umbauen für die Zeiten der Schuldenbremse. Es ist nicht mehr vermittelbar, warum sich Besucher nicht in einem geringen Umfang an den Kosten der Museen beteiligen sollten. Deshalb lasse ich den Eintritt stehen." Auch hält Grewenig die Besucherzahl für die Fischer-Schau in der Modernen Galerie "im Vergleich zu den anderen Mono-Projekten" für mehr als zufrieden stellend. Zumal die Baustellen-Situation vor der Modernen Galerie und deren provisorischer Eingang nicht attraktiv seien. Versagt im Falle Saarlandmuseum vielleicht das Instrumentarium des Weltkulturerbe-"Marketing-Magiers" Grewenig? Grewenig hält seine Werbemaßnahmen zur Wieder-Öffnung der Modernen Galerie und für die Schlossplatz-Museen für ausreichend, plädiert für ein "behutsames Vorgehen". Erst wenn ein "Zielkorridor" - ein verlässlicher Terminplan für die Eröffnung des Vierten Pavillons - existiere, seien spektakulärere Programme und Aktionen sinnvoll, um das eigentliche Ereignis zielgerichtet vorzubereiten. "Jetzt wäre es der falsche Zeitpunkt dafür", so Grewenig.

Dass die Fischer-Ausstellung nur mäßige Durchschlagskraft entwickelt habe, hält er für zwangsläufig. Es liege immer noch ein Image-Schatten über der Stiftung, auf den insbesondere das Stammpublikum - ältere Bildungsbürger - sehr sensibel reagiere. "Es wäre auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen unseriös, jetzt schon das System hoch zu fahren", sagt er. Seine mittelfristige Bespielungsplanung sieht dementsprechend dezent und konventionell aus. Sonder-Events wie beispielsweise Baustellen- oder Werkstatt-Partys sind nicht vorgesehen. In der Modernen Galerie wird es eine Ausstellung zur Kunst der 50er Jahre im Saarland geben (24. November bis 7. April) sowie ein Projekt mit dem Installationskünstler Eberhard Bosslet (geb. 1953), einem documenta-Teilnehmer und Pionier gewagter Raum-"Eingriffe" (8. Dezember bis 7. April). Und in der Alten Sammlung bereitet man eine Schau zur legendären "Gänsegretel"-Fürstin Katharina Kest vor (17. Januar bis 9. Juni). Grewenig legt, wie er sagt, sein Hauptaugenmerk zur Zeit auf die Optimierung interner Abläufe und auf den Relaunch des Internet-Auftritts: "Das ist eine dramatische Baustelle". Wohl wahr. Auf den Stiftungs-Seiten ist die Wieder-Öffnung der Modernen Galerie - wahrlich eine Zäsur - nur eine Randnotiz.

Foto: dpa

Meinung

Trompeten auspacken

Von SZ-RedakteurinCathrin Elss-Seringhaus

Wer will, schiebt alles auf Grewenig. Doch der hat ganz viel richtig gemacht, hat die Moderne Galerie überhaupt erst wieder geöffnet, hat eine sehr beachtliche Schau organisiert und das Potenzial der Räume für monografische Projekte aufgedeckt. Selbst Grewenigs Stopp des Alles-Kostenlos-Kurses am Schlossplatz lässt sich was abgewinnen. Denn er folgt damit den Wirtschaftlichkeits-Mahnungen des Rechnungshofes und korrigiert zugleich die realitätsverzerrenden Besuchermeldungen der Vergangenheit.

Gleichwohl erzwingen die niederschmetternden Zahlen eine Debatte im Kuratorium: Wollen wir tatsächlich bis zur noch lange ausstehenden Eröffnung des Vierten Pavillons mit dieser traurigen Durchhänger-Situation leben? Oder sollte man Meinrad Maria Grewenig nicht doch vielleicht auffordern, seine Trommeln und Trompeten auszupacken? Es gilt doch wohl, die Museums-Schließungsphase mit einem schlüssigen Konzept als solche offensiv zu nutzen, wie es beispielsweise gerade im Museum Unter den Linden in Colmar passiert.

Die Moderne Galerie hat durchaus das Zeug zum Kunstabenteuer-Ort, und am Schlossplatz müssten womöglich die Türen nochmal aufgemacht werden, sogar weiter als je zuvor. Kurz: Grewenigs Strategie gehört auf den Prüfstand. Bereits jetzt hat sein Image als Alleskönner gelitten.

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