Kein Knopf ohne Funktion

Hamburg · Designerin Coco Chanel ging mit ihrem zeitlosen Stil in die Modegeschichte ein. Doch wie sie sich 1940 ihren jüdischen Anteilseignern gegenüber verhielt, wirft einen dunklen Schatten auf die Stilikone.

 Choco Chanel 1935 im Foto von Man Ray.Foto: VGBildkunst&M. Ray Trust

Choco Chanel 1935 im Foto von Man Ray.Foto: VGBildkunst&M. Ray Trust

Foto: VGBildkunst&M. Ray Trust

Drei Dinge machen ein echtes Chanel-Kostüm aus: der gerade Schnitt der Jacke. Die Kragenlosigkeit. Und die kontrastierende, ringsum gesetzte Borte. Mit dieser Beschränkung auf das Essentielle und der gleichzeitigen Verwendung edelster Garne - meist lockerer Wolltweeed und feine Seide - hat Coco Chanel (1883-1971) einen Klassiker der Damenmode geschaffen, der seither immer wieder neu aufgelegt, kopiert und imitiert worden ist. Zwei weitere Klassiker kommen hinzu: Chanel No. 5, das bis heute meistverkaufte Parfüm der Welt, und angeblich auch das kleine Schwarze, ein schlichtes Kleid in Schwarz, das die Frau zu fast jeder Gelegenheit gut aussehen lässt.

Doch genau hier fängt die Mythenbildung schon an. Das kleine Schwarze stammt aus dem Haus Givenchy. "Erfunden hat sie das kleine Schwarze nicht. Sie hat es aber berühmt gemacht", sagt Maria Spitz, die Kuratorin der Ausstellung "Mythos Chanel" im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Die opulent inszenierte Schau zeigt bis zum 18. Mai über 200 Exponate, darunter Kleider, Kostüme, Schmuck, Handtaschen, Fotografien und Magazincover. Einen der Höhepunkte der Schau bildet ein Konvolut von zehn Kleidungsstücken, die Coco Chanel exklusiv für Marlene Dietrich entworfen hat.

Die 1883 als Gabrielle Chanel geborene, teils im Waisenhaus aufgewachsene Queen der Modewelt, hat es zeitlebens verstanden, virulente Zeitgeist-Erscheinungen in perfekt durchdachte modische Klassiker zu übersetzen. Weniger war für sie immer mehr. So gibt es bei Chanel keinen Knopf, der keine Funktion hat, keine Tasche ohne Eingriff. "Mode ist vergänglich. Stil bleibt. Ich mache Stil", hat Chanel gesagt.

So fortschrittlich und modern sie als Designerin und Stil-ikone auch agierte, liegt über ihrer Biografie dennoch ein schwarzer Schatten. Während der deutschen Besatzung arrangierte sich Chanel mit den Machthabern und ging 1940 sogar so weit, ihre jüdischen Anteilseigner bei den Nazis zu denunzieren, um in den Alleinbesitz von Le Parfums Chanel zu gelangen - was ihr jedoch nicht glückte. Zusammen mit dem ehemaligen NS-Offizier Hans Günther von Dincklage zog sie sich von 1945 bis 1953 ins Schweizer Exil zurück. 1954 feierte sie ihr Comeback in Paris. 1955 lancierte sie die legendäre Handtasche "2.55" und 1957 ihren absoluten Bestseller: das Chanel-Kostüm.

Nach Coco Chanels Tod 1971 versuchten rasch wechselnde künstlerische Leiter, den Mythos Chanel aufrecht zu erhalten - jedoch mit wenig Fortune. 1983 übernahm Karl Lagerfeld die Leitung des Hauses Chanel. Der letzte Raum der Schau zeigt daher Entwürfe, die der gebürtige Hamburger einerseits mit großem Respekt vor Coco Chanel, andererseits aber mit dem Selbstbewusstsein eines auf der Höhe seiner Zeit stehenden Couturiers machte. Was den Lagerfeld-Stil von Beginn an auszeichnete, war seine Nähe zum jeweiligen Zeitgeist. Schau"Mythos Chanel" im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Bis zum 18. Mai, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag von 10 bis 21 Uhr. Info: www.mkg-hamburg.de oder unter Telefonnummer (0 40) 4 28 13 48 80.

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