Kein Alleingang gegen den Iran

Meinung · Volkes Stimme in Jerusalem und Tel Aviv fordert einen Präventivschlag gegen die wachsende atomare Bedrohung aus dem Iran. Das ist ein verständlicher Wunsch, wäre es mit einem Luftschlag in der Art von 1981 getan, als israelische Piloten Saddam Husseins irakisches Atomprojekt mit einem einzigen Angriff lahmlegten, ohne dass dabei Menschen zu Schaden kamen

Volkes Stimme in Jerusalem und Tel Aviv fordert einen Präventivschlag gegen die wachsende atomare Bedrohung aus dem Iran. Das ist ein verständlicher Wunsch, wäre es mit einem Luftschlag in der Art von 1981 getan, als israelische Piloten Saddam Husseins irakisches Atomprojekt mit einem einzigen Angriff lahmlegten, ohne dass dabei Menschen zu Schaden kamen. So einfach ist es im Falle des Iran aber nicht mehr.Ein Angriff hätte massive Kollateralschäden zur Folge und würde den Tod vieler Unschuldiger bedeuten. Zudem lässt sich das iranische Atomprogramm längst nicht mehr stoppen, sondern im besten Fall um ein paar Jahre zurückwerfen. Abgesehen davon müsste im Falle eines israelischen Angriffs aber mit massiven Vergeltungsschlägen gerechnet werden. Und einer militärischen Operation steht heute ein starkes iranisches Luftabwehrsystem entgegen. Das Letzte, was Israel nach dem jüngsten Gefangenenaustausch braucht, ist der Absturz eines oder gar mehrerer Piloten über dem Himmel Teherans. Und das Letzte, was die Bevölkerung des Landes braucht, sind Raketen aus dem Iran und in der Folge auch Raketen aus dem Südlibanon und aus dem Gazastreifen.

Ein Atomstaat Iran ist allerdings nicht nur für Israel gefährlich, auch wenn sich die Rhetorik des anti-zionistischen Demagogen Ahmadinedschad hauptsächlich auf die Juden konzentriert. Nicht nur in Saudi-Arabien ist man zu Recht mehr als beunruhigt über sich abzeichnende Kräfteverschiebungen in der Region. Auch Ägypten und Jordanien sind keine Freunde einer iranischen Atommacht.

Kein arabischer Staat, in dem die Meinung des Volkes eine Rolle spielt, geht aber gern öffentlich einen militärischen Pakt mit dem Staat Israel ein. Dennoch wäre eine Kooperation gegen den Iran unter Ausschluss der Öffentlichkeit vielleicht möglich gewesen, hätte Israels Premier Benjamin Netanjahu das Land mit seiner hartnäckigen Palästinapolitik nicht selbst in die Isolation getrieben. Die Regierung in Jerusalem hat es verpasst, rechtzeitig nach Verbündeten Ausschau zu halten.

Dem iranischen Präsidenten kam das gut zu pass. Im aktuellen Null-Summen-Spiel ist Teheran automatisch Gewinner, wenn Jerusalem an internationaler Sympathie verliert. Mit einem militärischen Alleingang würde sich Israel noch weiter ins Abseits stellen. Stattdessen sollte sich Netanjahu umgekehrt die verbreitete Sorge vor dem iranischen Atomstaat zu Nutze machen, um Israel international wieder gesellschaftsfähig zu machen. Das Prinzip vom Feind meines Feindes, der mein Freund werden könnte, funktioniert im Nahen Osten. Nur müsste Netanjahu auf die Palästinenser zugehen. Jetzt steht mehr auf dem Spiel als ein paar Siedlungen in Ostjerusalem.

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