Karl May und die Euro-Zone

Saarbrücken. Sektkorken knallten, das Staatstheater war ausverkauft, das Orchester gut gelaunt, und mit dem auf drei Kontinenten viel gefragten Dirigenten Arthur Fagen stand genau der richtige Mann am Pult

Saarbrücken. Sektkorken knallten, das Staatstheater war ausverkauft, das Orchester gut gelaunt, und mit dem auf drei Kontinenten viel gefragten Dirigenten Arthur Fagen stand genau der richtige Mann am Pult. Ein Professor (an der Indiana University), der unprofessoral das Programm kommentierte, ein Chefdirigent (der Atlanta Opera), der dem Ensemble Witz und Eleganz entlockte, ein Musiker, der das übliche Neujahrsprogramm mit Bernstein und Copland bereicherte und oft Gehörtem neue Facetten abgewann. Prächtige Bläsersoli erhöhten den Genuss, und selbst bei den routiniertesten Musikern beobachtete man (melodien)seliges Lächeln.Dabei konnte der Restalkohol von Silvester eventuell bewirken, das Programm dieses Konzertes als Jahresrückblick zu verstehen: Schuberts "Marche militaire" hätte man dann auf den Abzug aus Afghanistan bezogen (oder den Einzug ins nächste Land), wenngleich "Leichte Kavallerie" dabei eher unbedeutend ist. Ein "Corral", das wissen wir seit Karl May, dient der Abschottung der eigenen Herde von der Umwelt und konnte hier wohl den Rückzug aus der Eurozone bedeuten. "Künstlerleben" hätte man als Nachruf auf Johannes Heesters verstanden, während die "Annen-Polka" nur der einzigen Tochter der Queen gewidmet sein konnte, Pferdenärrin und mit dem unverwechselbaren Liebreiz jener Familie gesegnet.

Spätestens bei "Stars and Stripes" als Zugabe kam man wieder zu sich, klatschte mit und belohnte den unverwüstlichen Radetzky-Marsch mit stürmischem Beifall. Am Ende applaudierte das Orchester dem Dirigenten, der Dirigent applaudierte dem Publikum fürs fein abgestufte Mitklatschen, und einen Augenblick lang mochte man glauben, nun könne das neue Jahr eigentlich nur gut werden.

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