Kampf gegen Klingelton-Abzocke

Brüssel. Der Fall ist typisch: Das neunjährige Mädchen bestellte im Internet einen Klingelton für ihr Handy. Sie ahnte nicht, dass zwar die Tonfolge kostenlos, die Bestellung aber an eine Mitgliedschaft gebunden war. Wenige Tage später erhielt der Vater eine Rechnung über 124,76 Euro

Brüssel. Der Fall ist typisch: Das neunjährige Mädchen bestellte im Internet einen Klingelton für ihr Handy. Sie ahnte nicht, dass zwar die Tonfolge kostenlos, die Bestellung aber an eine Mitgliedschaft gebunden war. Wenige Tage später erhielt der Vater eine Rechnung über 124,76 Euro. Die Brüsseler EU-Kommission veröffentlichte gestern dieses Beispiel.Insgesamt rund 22000 Mal im Monat tappen Bundesbürger in eine solche Abzockfalle. "Oft", so heißt es bei der Verbraucherberatung Nordrhein-Westfalen, "versuchen die Anbieter, die Betroffenen durch das Einschalten von Inkassounternehmen unter Druck zu setzen. Der juristische Kampf gegen diese Geschäftspraktiken wird oft dadurch erschwert, dass die Unternehmen ihren Geschäftssitz im Ausland haben, Seiten umbenannt oder nach einer Abmahnung neue Seiten eröffnet werden."Nun hat sich Europa zum gemeinsamen Kampf gegen diese Praktiken entschlossen. "Sweep" heißt das Netzwerk der Kommission, ein Zusammenschluss nationaler Beobachtungsstellen, die notfalls auch einmal zeitgleich zuschlagen. So wie jetzt, als es um unseriöse Angebote bei Klingeltönen für Handys ging.Die Bilanz der Prüfer, die EU-Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva in Brüssel vorstellte, ist niederschmetternd: Von 500 getesteten Seiten im Netz waren über 80 Prozent mit schweren Mängeln behaftet. Preise tauchten gar nicht auf oder völlig versteckt, Kinder wurden mit Comics angelockt, aber nicht darauf hingewiesen, dass sie gar keinen Vertrag abschließen dürfen. Sieben Mitgliedstaaten (Deutschland ist nicht darunter) veröffentlichten inzwischen eine Liste der Sünder. Darauf befinden sich namhafte Anbieter wie Jamba. "Wir werden jeden dieser unseriösen Anbieter EU-weit verfolgen", kündigte Kuneva an. Immerhin erwirtschafteten die Klingelton-Hersteller im Vorjahr nicht weniger als 691 Millionen Euro Umsatz. Auch die deutschen Verbraucherschutz-Beratungen sprechen von einer massiven Zunahme solcher Abzocke. "So suggerieren etliche Seiten (siehe Info-Kasten) eine kostenlose Inanspruchnahme von SMS-Diensten, Downloads, Ahnenforschung und anderen Leistungen. In Wahrheit rutschen die Internetnutzer am Ende ungewollt in ein teures Abonnement", heißt es beim "Verbraucherzentrale Bundesverband" in Berlin. Die Brüsseler Kommission hat nach den Vorfällen weitere Recherchen ihres eigenen Netzwerkes "Sweep" angekündigt. Auch von den 30 in Deutschland aufgefallenen Seiten müssen 20 mit intensiveren Nachforschungen und juristischen Konsequenzen rechnen.

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