Juristen diskutieren über geplantes Strafrecht für Unternehmen

Saarbrücken · Braucht Deutschland ein Strafrecht, mit dem Unternehmen wie Einzelpersonen für Verfehlungen vor Gericht belangt werden können? Diese Frage beleuchteten gestern Juristen in der Saar-Uni.

"Wenn in Unternehmen Straftaten begangen werden, muss es dafür eine Strafe geben, die so heißt und auch so bemessen ist, dass es wehtut" - mit dieser Aussage begründete NRW-Staatssekretär Karl-Heinz Krems (SPD ) den Vorstoß seines Bundeslandes für die Einführung eines Verbandsstrafrechts, mit dem erstmals auch Unternehmen, Vereine oder gemeinnützige Organisationen in Deutschland strafrechtlich belangt werden könnten. Nordrhein-Westfalen hat einen Entwurf für ein entsprechendes Gesetz vorgelegt, der, wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD ) sagte, auch in Berlin sehr beachtet werde.

Maas begrüßte bei einer Diskussionsveranstaltung an der Saar-Uni, dass der Entwurf eine intensive juristische Diskussion über Vor- und Nachteile eines solchen Strafrechts ausgelöst hat. Denn auf Bundesebene sei klar, dass Handlungsbedarf bestehe: "Die Finanzkrise hat gezeigt, welch fatale Folgen Unternehmens-Entscheidungen haben können. Kein Unternehmen darf über Recht und Gesetz stehen."

Tatsächlich ist es zurzeit so, dass kein Unternehmen strafrechtlich belangt werden kann, dies können nur "natürliche Personen", also die Handelnden im Unternehmen. Diese allerdings sind wegen der "organisierten Unverantwortlichkeit" häufig schwer zu identifizieren, wie es Charlotte Schmitt-Leonardy, wissenschaftliche Assistentin an der juristischen Fakultät in Saarbrücken, beschreibt. Stattdessen ist es in Deutschland nur möglich, Unternehmen auf Grundlage des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern in Millionenhöhe zu belegen. Grundsätzlich sei die Handhabe hier vollkommen ausreichend sagt Marco Mansdörfer, Jura-Professor an der Saar-Uni und Gastgeber der Diskussionsveranstaltung. Allerdings sei auch bei den Bußgeld-Verfahren dringend Nachbesserung nötig. Denn dieses Verfahren, eigentlich für Massenvergehen wie Geschwindigkeitsübertretungen geschaffen, habe mit den Wirtschaftsverfahren eine Dimension erreicht, die die zuständigen Amtsgerichte komplett überfordere. Auch sei es bei Bußgeldverfahren nicht möglich, eigene Beweisanträge einzubringen. Zumindest hier würde ein Verbandsstrafrecht Abhilfe schaffen.

Trotz der Mängel der bisherigen Verfahren plädiert Heiko Willems, Chefjustiziar des Bundesverbands der deutschen Industrie, gegen ein Verbandsstrafrecht. "Das bisherige Recht reicht aus", sagt er. Auch Mansdörfer spricht sich gegen das Verbandsstrafrecht aus, das er als "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Wirtschaftsanwälte" bezeichnet. Sollte es doch kommen, müsse der Entwurf noch deutlich überarbeitet werden, da er an vielen Stellen zu ungenau sei.

Auch seine Assistentin Schmitt-Leonardy sieht noch viele Fragen offen, die für eine Gesetzgebung geklärt werden müssten. So zum Beispiel, wie die "kriminelle" Aktion eines Unternehmens definiert werden kann, das weder eigenständig handeln noch seine Taten reflektieren kann.

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