Japan boomt! Boomt Japan?

Tokio · Japan erlebt einen Aufschwung. Die „Abenomics“ genannte Wirtschaftspolitik des neuen Premiers Abe scheint zu wirken. Doch Kritiker warnen vor einer Blase und mahnen Strukturreformen an.

Japans Wirtschaft ist im ersten Quartal überraschend stark gewachsen. Wie die Regierung gestern bekanntgab, kletterte das Bruttoinlandsprodukt zwischen Januar und März mit einer hochgerechneten Jahresrate von 3,5 Prozent, nach einem Prozent im Vorquartal. Das ist deutlich stärker, als Ökonomen erwartet hatten. Zum Vorquartal wuchs Japan um 0,9 Prozent. Die Regierung sieht sich bestätigt, dass die "Abenomics" genannte neue Wirtschaftspolitik von Premier Shinzo Abe nun Früchte trage. Er will Japan mit Konjunkturspritzen und einer aggressiven Lockerung der Geldpolitik gesunden. Doch Kritiker befürchten ein Strohfeuer.

Die Schwächung des Yen durch die Geldpolitik des von Abe eingesetzten neuen Zentralbank-Gouverneurs Haruhiko Kuroda ließ die Ausfuhren der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt erstmals seit vier Quartalen anziehen, und zwar um 3,8 Prozent. In jüngster Zeit hat der Yen zum Dollar bereits um 24 Prozent abgewertet. Auch die Börse hat kräftig angezogen. Vor diesem Hintergrund geben die Japaner wieder mehr Geld aus. Die Unternehmen scheinen indes weiter skeptisch zu sein. Zwar erhöhen sie ihre Bonuszahlungen, aber noch nicht die Grundgehälter. Zudem verringerten sie ihre Investitionen in Anlagen im fünften Quartal hintereinander. Dennoch gehen Ökonomen davon aus, dass sich der Wachstumstrend dank der schwachen Währung in den kommenden Quartalen fortsetzen wird. Japan entwickele sich unter den großen Industrieländern zu einer Wachstumslokomotive.

Auch die Regierung in Tokio ist zuversichtlich, dass die Wirtschaft im noch bis März 2014 laufenden Haushaltsjahr wie erwartet um real 2,5 Prozent anziehen wird.

Doch birgt die neue Finanz- und Geldpolitik Japans auch Risiken. Zum einen treibt der schwache Yen die Einfuhrpreise nach oben und erhöht den Preisdruck. Sollte der Yen zudem weiter abwerten und dadurch die Exporte deutlich anziehen, "dürfte das internationale Misstrauen gegenüber der japanischen Geldpolitik zunehmen", so die Ökonomen der VP Bank. Der deutliche Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts könne die Debatte um einen "Währungskrieg" verschärfen. Abgesehen davon sind die Kosten für Japans Schuldendienst gestiegen, gefährlich hoch für ein Land mit einer Staatsverschuldung von 237 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Kritiker warnen angesichts der aggressiven Geldpolitik Japans bereits vor dem Entstehen einer neuen Blase. Zur Überwindung der jahrelangen Deflation mit stetig fallenden Preisen soll die Geldbasis in den kommenden zwei Jahren verdoppelt werden. Damit der momentane Aufschwung nicht wie ein Strohfeuer verpufft, braucht das Land nach Einschätzung von Ökonomen Strukturreformen und eine Öffnung der Märkte. Die Wettbewerbsfähigkeit müsse verbessert werden. Diesen schwierigsten Teil der "Abenomics" ist die Regierung jedoch bislang schuldig geblieben. Beobachter warnen, dass durch Abes bisherigen schnellen Erfolg die Entschlossenheit nachlassen könnte, harte Entscheidungen zu treffen. Im Juni will Abe Reformpläne vorlegen. Es gibt schon Widerstände von Lobby-Gruppen.

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