Jan Zabeils Film hebelt unsere westlichen Erklärungsmuster aus

Als er vier war, sah er das Okavango-Delta zum ersten Mal, sein Onkel lebte dort. Mit 18 zog Jan Zabeil dann, seinen Andeutungen nach nicht anders als die von Alexander Fehling gespielte Hauptfigur seines Films "Der Fluss war einst ein Mensch", in diesem Sumpfgebiet aus Kanälen und Seen umher. Phasenweise ohne Guide und die Deutschen nachgesagte Risikoabwägung

Als er vier war, sah er das Okavango-Delta zum ersten Mal, sein Onkel lebte dort. Mit 18 zog Jan Zabeil dann, seinen Andeutungen nach nicht anders als die von Alexander Fehling gespielte Hauptfigur seines Films "Der Fluss war einst ein Mensch", in diesem Sumpfgebiet aus Kanälen und Seen umher. Phasenweise ohne Guide und die Deutschen nachgesagte Risikoabwägung. Nicht nur, weil seine inneren Koordinaten durcheinander gerieten, waren die Erlebnisse in Afrika für ihn prägend. Zabeil - von Haus aus Kameramann - begriff, dass dieses Leben mit westlichen Maßstäben nicht zu fassen ist.Es ist vielleicht die größte Qualität dieses Films, dass er uns eine Stellvertreter-Erfahrung machen lässt. Das plötzliche Ausgeliefertsein in menschenleerer Fremde, die heraufziehende Angst werden hautnah. Man versteht, weshalb dieser junge Deutsche auf einmal Dinge für möglich hält, die er früher belächelt hätte. Dass etwa ein von einem Krokodil Gefressener selbst eines wird, um seine Familie zu töten, damit er als Nicht-Beerdigter nicht alleine bleibt im Zwischenreich zwischen Leben und Tod. "Ich wollte den Zuschauer in die Enge treiben", umreißt Zabeil, weshalb er seine Hauptfigur ein unbeschriebenes Blatt sein lässt. Die Grenzerfahrung, die er zeigt, mochte er nicht durch klare emotionale Zuschreibungen wieder einordbar machen. Weil dieses pseudodokumentarisch in der Schwebe gehaltene Mysterium durch eine klare Identifikationfigur, die wir in ihrem Tun dramaturgisch bewerten könnten, enträtselt würde. So aber gelingt das Kunststück, übliche Erklärungsmuster ins Leere laufen zu lassen. Das erklärt seine Unmittelbarkeit, Intensität.

Drei Monate lang waren Zabeil, Fehling, ein Kamera und Ton-Mann in Booten unterwegs. Mit minimalem Gepäck (Zelte, Fressalien, Ausrüstung) unterwegs in unwegsamem Gebiet. Sie verkalkulierten sich manchmal; fanden nichts zu essen. Um so unabhängig wie möglich zu sein, rationierten sie das Benzin für ihren Generator auf zwei Liter pro Tag. "Es war total krass." Weshalb sie nach sechs Wochen abbrachen, zurückflogen und die zweite Drehphase per Motorboot absolvierten. Im Tonschnitt wurde jedes Geräusch der Beiboote genauso entfernt wie jeder Schritt des Teams. "Allein an der Matschszene haben wir einen Tag geschnitten." Sie drehten alles chronologisch, bauten ein, was ihr Trip an Zufällen bot. Umso bemerkenswerter, dass sich beim SWR mit Stefanie Groß eine Redakteurin fand, die dieses gängige TV-Kriterien unterlaufende Projekt (Budget: unter 150 000 Euro) förderte. Es hat sich gelohnt. cis

Foto: sebastian woithe

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort