Italiens Regierungschef spart nun auch in der Not

Rom. Das Erdbeben hatte einen ganzen Landstrich verwüstet, der Ministerpräsident besuchte die betroffenen Gemeinden. Er trug T-Shirt unter dem Jackett und einen roten Feuerwehrhelm. Er umarmte eine alte Frau so, dass Kameras den Moment leicht festhalten konnten. Ein Mann, ein Helm, ein Wort. Diese Botschaft sollten die Italiener verstehen

Rom. Das Erdbeben hatte einen ganzen Landstrich verwüstet, der Ministerpräsident besuchte die betroffenen Gemeinden. Er trug T-Shirt unter dem Jackett und einen roten Feuerwehrhelm. Er umarmte eine alte Frau so, dass Kameras den Moment leicht festhalten konnten. Ein Mann, ein Helm, ein Wort. Diese Botschaft sollten die Italiener verstehen. So bewegte sich Silvio Berlusconi im Frühjahr 2009 durch das Erdbebengebiet in den Abruzzen.Auch im Frühjahr 2012 bebt in Italien die Erde, diesmal im Norden. Sieben Menschen sind in Folge des Erdstoßes in den Provinzen Modena, Ferrara und Bologna umgekommen. Als der aktuelle Ministerpräsident am Dienstag die betroffenen Gemeinden in der Emilia-Romagna besucht, hat man Mühe, ihn überhaupt zu erkennen. Sogar im Fernsehen wirkt Mario Monti wie ein flüchtiger Gast. Die Bilder sind verwackelt, Monti trägt keinen Feuerwehrhelm. Er wird auch nicht die Regierungschefs aus der ganzen Welt zu einem G-8-Gipfel ins Katastrophengebiet einladen, so wie es Berlusconi 2009 in L'Aquila tat.

Seit November 2011 steht der Universitäts-Professor Monti einer Regierung von Technokraten vor. Er hat den Hauptauftrag zu sparen und muss sich nicht für Wählerstimmen in Pose werfen. Die Zeiten in Italien haben sich geändert, das sieht man auch daran, wie die neue Regierung mit der Katastrophe umgeht.

Europa durchlebt die größte Schuldenkrise seiner Geschichte. Italien steht wegen seiner enormen Staatsverschuldung (über 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) besonders im Fokus. Die Regierung Monti trat im November an, um jahrelang versäumte Strukturreformen auf den Weg zu bringen, das Staatsdefizit zu reduzieren und das Vertrauen der Märkte wieder zu gewinnen. Auch Monti benutzt Gesten, um seine Politik glaubwürdig zu machen. Der 69-Jährige verzichtet als Ministerpräsident auf sein Gehalt, er lässt sich in einem italienischen Lancia kutschieren, eine Bestellung von Dienstwagen für die Regierung sagte er prompt wieder ab, Blaulicht benutzt er nur, wenn es wirklich dringend ist.

Monti rückt auch im Katastrophenfall nicht von seiner Linie ab. Zwar stellte die Regierung 50 Millionen Euro als Soforthilfe bereit und kündigte Steuererleichterungen für die vom Erdbeben Betroffenen Hauseigentümer an. Nach ersten Schätzungen sind allein in der Landwirtschaft Schäden in Höhe von 200 Millionen Euro entstanden. In einem Interview sprach der Premier von "schweren Schäden", stellte aber auch fest, dass er den Eindruck von einem "sehr gut funktionierenden System öffentlicher Verwaltung" bekommen habe. In seinem umständlichen Duktus deutete Monti damit an, die Gegend könne sich selbst helfen.

Exakt drei Tage vor dem Erdbeben in der Emilia-Romagna verabschiedete die Regierung Monti ein Dekret, demzufolge bei Naturkatastrophen nicht mehr der staatlich getragene Zivilschutz für sämtliche Schäden aufkommt, sondern die Immobilienversicherungen. Für den Schutz einzelner Gebäude müssen die Eigentümer in Zukunft Versicherungen abschließen. Die Tendenz ist eindeutig: Auch bei Katastrophen wird der italienische Staat immer weniger Geld aufwenden. Das Erdbeben in der Emilia-Romagna könnte die letzte sein, deren Folgen mit Steuergeldern behoben werden. Italien spart künftig auch in der Not.

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