Italienische Lehren

Meinung · Die EU hat sich verzockt. In Brüssel (aber auch in Berlin) hatte man allen Ernstes geglaubt, ein paar aufmunternde Worte zugunsten des Reformers Mario Monti würden genügen, damit die italienischen Wähler einer Fortsetzung des Niedergangs zustimmen. Das war eine Illusion. Man hätte wissen können, dass die politische Lage einem Wettlauf zwischen Sparkurs und Reformen gleicht

Die EU hat sich verzockt. In Brüssel (aber auch in Berlin) hatte man allen Ernstes geglaubt, ein paar aufmunternde Worte zugunsten des Reformers Mario Monti würden genügen, damit die italienischen Wähler einer Fortsetzung des Niedergangs zustimmen. Das war eine Illusion. Man hätte wissen können, dass die politische Lage einem Wettlauf zwischen Sparkurs und Reformen gleicht. Wenn aber die Einschnitte schneller kommen als Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur, haben Sprücheklopfer wie Grillo und Populisten wie Berlusconi ihre große Stunde.Natürlich sind Wahlen zuallererst nationale Ereignisse. Aber die Mitglieder der Währungsunion und der EU sind längst so eng verdrahtet, dass sich Ausschläge in einem Land auf alle anderen auswirken. Italien steht in diesen Tagen nach der Wahl als neuer Risikofaktor da. Die drittwichtigste Nation der Gemeinschaft unregierbar - das ist ein Albtraum. Für alle. Auch weil das schlagartig geschwundene Vertrauen der Märkte die Finanzprobleme Roms verschärft.

Wenn dieser Absturz tatsächlich eine Reaktion auf das Erstarken der Anti-Europäer ist und nicht die notwendige Korrektur überhitzter Kurse, dann muss man ihn als Alarmzeichen werten. Und wer auch immer es schaffen sollte, eine italienische Regierung zu bilden, rutscht rasant dem Kollaps entgegen. Mit fatalen Folgen: Der Weg zum Euro-Rettungsfonds wird kürzer. Und damit wächst die Furcht aller Beteiligten, ob das drittgrößte Land der Euro-Zone überhaupt von den existierenden Rettungsmechanismen aufgefangen werden kann. Zypern? Kein Problem. Aber Italien?

Keine Frage, die Union hat die Quittung für die Versäumnisse ihrer Krisen-Intervention bekommen. Zwar war es richtig, das Ruder rasch herumzuwerfen, um den Finanzmärkten mit Sparzwang, Solidaritätszahlungen und Reformen Entschlossenheit zu demonstrieren. Doch Brüssel kann und darf nicht die fiskalpolitische Regentschaft beanspruchen, die betroffenen Regierungen aber mit den sozialpolitischen Folgen alleine lassen. Sicher, weder Athen noch Madrid oder Rom können sich über mangelhafte Förderung während der zurückliegenden Jahre beklagen. Ganz im Gegenteil. Dass dieses Geld nicht nachhaltig und zugunsten besserer Wettbewerbsfähigkeit investiert wurde, haben Leute wie Berlusconi zu verantworten, nicht die EU-Kommission. Und doch hätte sie ihren Einfluss stärker nutzen müssen, um Reformen mit und nicht gegen die Bürger zu erreichen.

Egal wie es in Rom weitergeht: Diesen Warnschuss sollten die EU-Spitzen begreifen. Die Maßnahmen des Wachstumspakets als Ergänzung zum Fiskalpakt müssen jetzt endlich ins Rollen kommen. Andernfalls wird der Widerstand gegen diese Gemeinschaft, die Probleme nicht löst, nicht nur in Italien wachsen. Und dann steht der Euro tatsächlich auf dem Prüfstand.

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