Internet-Sperren für Raubkopierer

Brüssel. Wer Musik oder Filme illegal aus dem Internet herunterlädt, muss mit der Sperrung seines Zugangs zum Datennetz bis zu einem Jahr rechnen. Auf diese Formel haben sich in der Nacht zum Donnerstag die EU-Gremien geeinigt. Deutschen Raubkopierern drohen bereits seit der Reform des Urheberrechtes vor zwei Jahren empfindliche Strafen

Brüssel. Wer Musik oder Filme illegal aus dem Internet herunterlädt, muss mit der Sperrung seines Zugangs zum Datennetz bis zu einem Jahr rechnen. Auf diese Formel haben sich in der Nacht zum Donnerstag die EU-Gremien geeinigt. Deutschen Raubkopierern drohen bereits seit der Reform des Urheberrechtes vor zwei Jahren empfindliche Strafen. Ob die Bundesregierung auch eine Internet-Sperre einführen wird, ist fraglich. Brüssel überlässt die Details den Mitgliedstaaten. Die Auswirkungen der Reform werden unterschiedlich gedeutet: So betonte der Vorsitzende des Industrieausschusses im Europa-Parlament, Herbert Reul (CDU), man habe die "persönliche Freiheit und die Unverletzlichkeit der Privatsphäre sehr hoch gewichtet". Andere gehen jedoch vom Gegenteil aus. Tatsächlich muss ein Internet-Nutzer, der wegen Verstößen gegen das Urheberrecht aufgefallen ist, zunächst zwei Mal abgemahnt werden. Erst dann dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Sperrung des Datennetzes einleiten. Voraussetzung dafür soll ein richterlicher Beschluss sein, hatten die Parlamentarier gefordert. Nun findet sich im Gesetzestext aber nur noch ein Hinweis auf ein "gerechtes Verfahren". Die FDP-Europa-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, Vizepräsidenten der Straßburger Volksvertretung, erläutert: "Eine Netzsperre darf erst nach einem Verfahren mit Anhörung verhängt werden." Von einem richterlichen Beschluss ist nicht mehr die Rede. Trotzdem bedeutet die Neufassung eine Verbesserung für den Verbraucher. Ursprünglich hatte Frankreich gefordert, dass die Fahnder die Internet-Verbindung einfach kappen können, ohne dem Betreffenden eine Möglichkeit zu geben, sich mit Rechtsmitteln zu wehren. "Das wäre ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Information", hieß es. Unklar blieb gestern aber, ob die neuen Maßnahmen, die Bestandteil des Telekom-Paketes sind und Anfang 2010 in Kraft treten sollen, auch grenzüberschreitende Auswirkungen haben werden. Vor allem aus der französischen Delegation gibt es Forderungen, dass Verstöße von Ausländern grenzüberschreitend verfolgt und geahndet werden. Das würde bedeuten, dass auch ein deutscher Internet-Nutzer, der sich illegal Musik oder Filme von einem französischen Anbieter herunterlädt und dabei auffliegt, hierzulande vom Netz ausgesperrt werden könnte. Dies sei aber wohl nur möglich, hieß es in Brüssel, wenn alle Mitgliedstaaten entsprechende Strafen einführen. Bisher haben sich nur Frankreich und Großbritannien auf Internet-Sperren verständigt. Meinung

Notwendige Grenzen

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes Der Streit um Internet-Sperren markiert einen Meilenstein in der Entwicklung des Datennetzes. Denn die Diskussion um legale Instrumente für die Strafverfolgungsbehörden gegen Raubkopierer hat deutlich gemacht, dass es ein Recht auf Zugang zu Informationen gibt. Und dass dieses nicht leichthin entzogen werden darf. Die Vorstellung, dass Behörden das Internet abklemmen, ohne dass die Betroffenen Rechtsmittel einlegen können oder überhaupt angehört werden, erscheint abenteuerlich. Von solchen Plänen ist die EU nun abgerückt. Zum Grundsatz, dass das Netz kein rechtsfreier Raum sein darf, gehört auch das Grundrecht, dass niemand ohne rechtsstaatliche Mittel seiner Freiheiten beraubt werden darf. Denen, die aber gegen jegliche Eingriffe der Justiz in das Datennetz wettern, sei gesagt: Das Urheberrecht ist Garant dafür, dass es Musik, Texte und Filme gibt, die so interessant sind, dass man sie am liebsten klauen würde. Würde man dies zulassen, könnte man auch Ladendiebstahl erlauben. Viele Anbieter von illegalen Dateien betreiben ihre Rechner in entlegenen Regionen dieser Welt, wo Fahnder nicht zugreifen können. Der Kampf der EU gegen Raubkopierer macht nur Sinn, wenn alle Länder weltweit an einem Strang ziehen. HintergrundDie weiteren wichtigsten Inhalte des so genannten Telekom-Paketes: T-Online und Vodafone können mit dem Bau des neuen Hochgeschwindigkeits-Internets loslegen. Die Kosten für das VDSL-Netz dürfen Wettbewerbern, die diese Leitungen für ein eigenes Angebot nutzen wollen, in Rechnung gestellt werden. Die Investitionen werden in Deutschland auf vier bis fünf Milliarden Euro geschätzt.Telefon- und Internet-Anbieter müssen verständlicher über alle Preise und Gebühren informieren.Wer mit seiner bisherigen Rufnummer zu einem neuen Anbieter wechseln will, muss binnen 24 Stunden wieder erreichbar sein. Lange Wartezeiten werden untersagt.Telekommunikations-Konzerne dürfen ihre Leitungen behalten. Ursprünglich hatte es geheißen, man werde Unternehmen wie die Telekom aufspalten. Die nationalen Regulierer sollen nun den Wettbewerb auf andere Weise sicherstellen. dr

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