In mehr als 80 Stationen um die Welt

Köln. Was man dieser Tage in Kölner Medien über das neue, rund 80 Millionen Euro teure Kulturquartier am Neumarkt erfährt, ist offensichtlich dem Wunsch geschuldet, den vielen negativen kulturpolitischen Schlagzeilen der jüngsten Vergangenheit etwas Positives entgegenzusetzen

 Ein indonesischer Reisspeicher im neuen Eingangsbereich des Rautenstrauch-Joest-Museums. Foto: Kulturquartier

Ein indonesischer Reisspeicher im neuen Eingangsbereich des Rautenstrauch-Joest-Museums. Foto: Kulturquartier

Köln. Was man dieser Tage in Kölner Medien über das neue, rund 80 Millionen Euro teure Kulturquartier am Neumarkt erfährt, ist offensichtlich dem Wunsch geschuldet, den vielen negativen kulturpolitischen Schlagzeilen der jüngsten Vergangenheit etwas Positives entgegenzusetzen. Superlativisch wird das neue Haus - es handelt sich nur um ein Gebäude - hochgejazzt, selbst der vermessene Vergleich mit der Berliner Museumsinsel wird gewagt.

Tatsächlich hat nun in einem Viertel, das von einem Kulturquartier noch sehr weit entfernt ist, neben zwei romanischen Kirchen, ein funktionaler, dreiteiliger Kasten Stellung bezogen - unspektakulär eingefasst von gebrannten Ziegeln und wenigen Fensterflächen. Ein Blickfang sieht anders aus. Hier setzt das Rautenstrauch-Joest-Museum - ein Haus für die "Kulturen der Welt", wie es sich unter Vermeidung des antiquierten Titels Völkerkundemuseum nennt - seine ausgezeichnete Sammlung in gänzlich neuer Weise in Szene. Unter dem Titel "Der Mensch in seinen Welten" wird zu einer gewöhnungsbedürftigen Entdeckungsreise geladen. Man besucht nicht bestimmte Kontinente, Länder oder Völker, sondern wird nach Themen durch weithin unbekannte Welten geführt. Der Gleichrangigkeit der Kulturen wird somit entsprochen und zudem die Distanz zwischen Betrachter und Exponat verringert, weil die Objekte in Kontexte eingebunden sind, die Bedeutung und Gebrauch anschaulich machen.

Das Museum, das das legendäre "Kölner Loch" gestopft hat, das nach dem immer noch ersatzlosen Abriss der Kunsthalle und zwischenzeitlicher Geldknappheit entstanden war, hat seine Schätze in einer beeindruckenden Szenograhie aufgeboten - mit allem, was multimedial dazugehört. Doch die gut gemeinte Offensive überfordert bisweilen, ein roter Faden wird nicht durchgängig geknüpft. Wer umfassende Information sucht, sollte zumindest einen halben Tag einplanen. Thematisiert werden die Vielfalt des Glaubens, rituelle Praxis und diverse Arten, mit Sterben und Tod umzugehen. Wohnformen werden veranschaulicht, der Körper als Bühne unterschiedlichster Selbstdarstellungsformen sichtbar. Besonderes Augenmerk gilt der Analyse von Klischees und Vorurteilen gegenüber dem "Fremden" sowie den Sammlungs- und Archivierungsaktivitäten des Museums selbst.

Vom monumentalen Lichthof, wo der sieben Meter hohe Reisspeicher aus Indonesien seinen Platz gefunden hat, gelangt man auch in ein zweites Haus, das Museum Schnütgen. Hier führt der Weg sozusagen zurück nach Europa, ins Mittelalter. Das Museum, das bislang die romanische Cäcilienkirche als Ausstellungsraum nutzte, wurde durch einen temporär anmutenden Trakt mit milchiger Fassade deutlich vergrößert. Auch für den Neubau zeichnen die Braunschweiger Architekten Schneider und Sendelbach verantwortlich. Hier kann man sich angeregt durch Skulpturen, Textilien, Handschriften und Glasmalereien, Goldschmiede-, Bronze- und Elfenbeinarbeiten auf die Suche nach den Wurzeln christlicher Kultur begeben.

Summa summarum: Zwei überregional bedeutende Traditionshäuser mit neuen und breiteren Präsentationen, Raum für Wechselausstellungen und dem Auftrag, den Dialog der Kulturen zu befördern - ein Grund nach Köln zu reisen, auch wenn die Spree immer noch nicht durch Köln fließt.

Kulturquartier: Cäcilienstr. 29-33 (www.museenkoeln.de)

Rautenstrauch-Joest-Museum: (02 21) 22 13 13 56

Museum Schnütgen: (02 21) 22 12 23 10; 5. November: Eröffnung der Wechselausstellung "Afropolis" über afrikanische Mega-Cities (bis 13. März).

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