Im stillen Kämmerlein

Europas Krisen lassen sich nicht an einem halben Tag und von drei Staats- und Regierungschefs lösen. Aber Matteo Renzi hat getan, was er tun konnte. Nicht unbedingt für Europa. Doch zumindest für seine Umfragewerte. Das symbolträchtige Treffen mit Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande hat der italienische Ministerpräsident klug eingefädelt und geschickt inszeniert. Mit der Insel Ventotene erinnerte er an den geistigen Gründervater der EU, Altiero Spinelli. Mit dem Marineschiff "Giuseppe Garibaldi ", das zur EU-Mission "Sophia" gehört, wies er zugleich auf die ungelösten Probleme vor Europas Haustür hin.

Seit dem EU-Türkei-Deal sind die Zahlen der illegalen Einwanderung über Griechenland zwar stark zurückgegangen. Dafür sind sie in Italien gestiegen. Fast 100 000 Menschen sind in diesem Jahr bereits über Libyen und das Mittelmeer eingereist. Gleichzeitig steht das Kriegsschiff für die Verteidigungsstrategie, die die drei nun offensichtlich stärken wollen. Ein Manöver, mit dem man von den internen Problemen der EU ablenken kann.

Ebenso wie von Renzis hausgemachten: Der Premier muss sich im Herbst einer Volksabstimmung über eine Reform der italienischen Verfassung stellen. Da braucht er dringend Rückenwind. Auch um die schwächelnde Wirtschaft seines Landes aufzupäppeln. Mehr Flexibilität aus Brüssel für größere Investitionen aus der Staatskasse käme dem italienischen Sozialdemokraten da gerade recht. Im Kreis der mächtigen Drei fühlt er sich sichtlich wohl. Renzi will eine neue Schlüsselrolle einnehmen, den künftig leeren Stuhl Großbritanniens besetzen.

Das zeichnete sich bereits ab, als er sich gemeinsam mit Merkel und Hollande in Berlin unmittelbar nach dem britischen Referendum traf. Nach dem gestrigen Gipfel plant Renzi eine weitere Zusammenkunft mit den südeuropäischen Mitgliedstaaten Anfang September - einem Kreis, in dem er sich zweifellos als Anführer hervortun will, um später als Vermittler zwischen Nord und Süd eben jene Schlüsselposition einzunehmen, mit der er seine politische Zukunft zu sichern glaubt.

Damit ahmt Renzi Merkels Strategie nach, die binnen weniger Tage über den halben Kontinent tourt und sich vor dem informellen EU-Gipfeltreffen in Bratislava am 16. September, bei dem Großbritannien nicht dabei sein wird, mit halb Europa an einen Tisch setzt. Wie bei so viel Diplomatie im stillen Kämmerlein Mitte September allerdings eine gemeinsame Botschaft der 27 Mitgliedstaaten entstehen und vermittelt werden kann, scheint fraglich. Hinterher zu sagen, "wir haben getan, was wir konnten", reicht nicht mehr. Denn Europas Krisen bleiben weiter ungelöst.

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