Im Gefängnis zum Berufsabschluss

Saarbrücken. Eine bessere Rückkehr in das normale Leben, das ist das Ziel des neuen Programms "Nachqualifizierung im Südwestverbund", das seit einem Jahr in Gefängnissen im Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen erprobt wird

Saarbrücken. Eine bessere Rückkehr in das normale Leben, das ist das Ziel des neuen Programms "Nachqualifizierung im Südwestverbund", das seit einem Jahr in Gefängnissen im Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen erprobt wird.Die Idee des Programms, das sich vor allem an kürzer Inhaftierte richtet, ist es laut Koordinator Wolfang Caspari vom Bildungsträger Inbas, die Vorbildung der Gefangenen zu einem Berufsabschluss zu führen. "Bildung verringert signifikant die Rückfallquote von Haftentlassenen", sagt Caspari.

Ausbildung gibt es in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt (JVA) Lerchesflur, dem saarländischen Partner in dem Projekt, seit langem. Allerdings, so Caspari, reicht die Haftzeit für eine komplette Ausbildung oft nicht aus. Der Ansatz des Projektes ist es nun, zu Beginn der Haft Interessen, Stärken und Vorerfahrungen der Gefangenen zu erfassen und zu schauen, ob diese Erfahrungen die Grundlagen für eine Berufsausbildung bilden können. "Ideal ist es natürlich, wenn jemand vorher eine Lehre begonnen hatte", sagt Caspari. Dann sei es eventuell möglich, diese in der Haft abzuschließen.

So war es zum Beispiel bei Erik Renz (Name geändert). Er hatte vor seiner Inhaftierung eine Schreinerlehre gemacht, dann allerdings "die mündliche Prüfung versemmelt", wie er sagt. In der Haft konnte er die nötigen Prüfungen nachholen. Außerdem hat er sich über das Qualifizierungsprogramm zur Fachkraft für Lagerlogistik fortgebildet und den Staplerführerschein gemacht.

An der Qualifizierung hat auch sein Kollege Michael Baier (Name geändert) teilgenommen. Der 25-Jährige, der regulär 2013 entlassen wird, hat aufgrund der Qualifizierung für Lagerlogistik jetzt eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker angeboten bekommen. "Jetzt hoffe ich, dass die Haftzeit abgekürzt wird", sagt er.

Zwischen 1500 und 4000 Euro pro Monat investiert die Arbeitsagentur Saarbrücken nach Aussage ihres Leiters, Hans-Hartwig Felsch, in die Weiterbildungsprogramme. 27 Gefangene werden aktuell in der JVA Lerchesflur im Rahmen des Nachqualifizierungs-Programms gefördert.

Ausbildungen im Gefängnis sind nichts Neues. Rund 700 Gefangene haben seit 1976 eine Ausbildung in der Lerchesflur gemacht, sagt Peter Weber, der dort seit 30 Jahren als Lehrer für Weiterbildung zuständig ist. Und fünfmal seien Gefangene auch Landesbeste geworden. 30 Gefangene absolvieren zurzeit eine reguläre Ausbildung. Die Möglichkeiten sind reich: Holzmechaniker, Maler/Lackierer und Kfz-Service-Mechaniker kann man in Saarbrücken lernen, in anderen JVAs auch Berufsbilder wie Koch, Maurer oder Schweißer. "Ein Inhaftierter hat sogar seine C-Prüfung als Kirchenmusiker hier in der Haft abgelegt", sagt Caspari.

Im Qualifizierungsprogramm liegen die Schwerpunkte neben dem Abschluss einer begonnen Ausbildung auf der beruflichen Weiterbildung in der Lagerwirtschaft und zum Gebäudereiniger mit der Spezialisierung als Anwender Nanotechnik. Gerade diese Ausbildung sei am Arbeitsmarkt gefragt.

Die Ausbildung gebe den Gefangenen "auch Struktur, die die Rückkehr ins reale Leben erleichtert", sagt Caspari. Und: Wer eine Ausbildung abgeschlossen hat, hat auch die Chance, in den gefängniseigenen Betrieben zu arbeiten. Gefängnisdirektorin Birgit Junker sieht aber noch einen weiteren positiven Aspekt der Weiterbildung: "Jede Ausbildung schafft auch mehr Selbstwertgefühl", sagt sie. "Mangelndes Selbstwertgefühl ist oft die Grundlage von Straftaten."

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