Im Dunkeln ist gut riechen

Le Tholy · Richtig durchsetzen konnte sich der Geruchsfilm trotz wiederholter Versuche nie. Doch das hat ein Käsemacher-Ehepaar nicht abgehalten: Im Vogesendorf Le Tholy verbinden sie Regionalgeschichte und Moderne.

 Munsterkäse, 3D-Brille und Kino: Käsemacherin Catherine Louis hatte in den Vogesen eine pfiffige Geschäftsidee. Foto: Schülke

Munsterkäse, 3D-Brille und Kino: Käsemacherin Catherine Louis hatte in den Vogesen eine pfiffige Geschäftsidee. Foto: Schülke

Foto: Schülke

Bevor man sich einen der roten Stühle in dem kleinen Kinosaal aussucht, greift Catherine Louis hinter die Theke und zieht aus einem Korb eine 3D-Brille. Damit geht es ab ins bäuerliche Leben der Vogesen von früher. Sie vergewissert sich, dass Licht aus- und Projektor angehen, wünscht im Dunkel gute Vorstellung und kehrt in ihren Laden zurück. Meist bedient die Käsemacher-in an der Kühltheke, doch bis zu vier Mal am Tag ist sie auch Kino-Platzanweiserin. Im Vogesendorf Le Tholy hatten sie und ihr Mann Bernard eine schlaue Idee, um die Leute auf der Fahrt in den Wander- und Skiort Gérardmer zum Anhalten zu bringen: Zum Hofladen gehört ein 3D-Kinosaal, gezeigt wird ein Geruchsfilm.

"Au temps de Papy Louis" erzählt auf Französisch vom Bergbauernleben in den Vogesen und zeigt von Winter zu Winter, was es auf dem Hof zu tun gab. Realisiert hat den Film der Fotograf und Regisseur Christophe Voegelé aus Épinal. Nostalgische Atmosphäre, Hingabe an die Region und liebevolle Kaufmannsschläue lassen einen einfachen 70-minütigen Film zu einem informativen und charmanten Zeitdokument verschmelzen. Wogende Gräser, zerklüftete Gipfelketten und weidende Kühe scheinen von der Leinwand in den Saal zu ragen. Die 3D-Effekte sind vor allem bei den Zwischenszenen - der Großvater erzählt der Enkelin von früher - und den Landschaftsaufnahmen gut gemacht. Die Effekte sollen die Jugend ansprechen, weil "sie die im Europapark und den I-Max-Kinos ja auch erlebt", hatte Louis im Laden angemerkt. Bei Interviews mit Bauern und dem Vorführen ihrer Arbeiten ist die Dreidimensionalität weniger präsent, sowieso ist hier die Nase gefragt.

In einem Raum unter der Zuschauertribüne hängen vier kleine Metallschränke mit Plastikbehältern. Die vier Jahreszeiten "hiver, printemps, été, automne" sind darauf vermerkt. Die Gerüche werden zeitgesteuert über ein Rohr in den Kinosaal geblasen. "Manche Zuschauer riechen nichts, auch weil sie sich so auf den Film konzentrieren", hatte Louis auf dem Weg zum Saal gewarnt, um Enttäuschungen vorzubeugen. Riechen oder nicht riechen - das würde auch davon abhängen, wo man sitzt und wie voll der Saal ist. Aber die Öle aus der französischen Parfumstadt Grasse entfalten ihre Wirkung. Der süße Winterduft und der erdig-holzige Herbstduft sind am dominantesten. Der Frühlingsduft nach Hyazinthen und der Sommergeruch nach Heu verlangen schon mehr Aufmerksamkeit.

Nach vier Gerüchen und 70 Minuten weiß man, wie Munsterkäse gemacht wird, wie das Vogesenspinett klingt und welch ein halsbrecherisches Gefährt "la schlitte" ist. Den überdimensionalen Holzschlitten erkennt man gleich wieder, hängt er doch als anheimelnde Dekoration in allerhand Restaurants. Dieser Hornschlitten diente Bergbauern früher dazu, Heu und geschlagenes Holz aus den Bergen zum Hof zu transportieren. Beladen konnte er eine Tonne wiegen. In den 50ern verschwand "la schlitte" aus dem Alltagsleben der Bergbauern. Anpassen ist hier die Devise - damals, wie heute. 2000 war Familie Louis mit die erste, die an der Straße nach Gérardmer ihren Laden eröffnete. "Aber zehn Jahre später gab es viel Konkurrenz, von der wir uns abheben wollten", erzählt Louis. Das ist geglückt - ein 3D-Geruchs-Kino gehört nicht zu den Sehenswürdigkeiten, die man hier erwartet.

Gerüche sind ein wichtiger Teil des Geschäfts, stammt doch der Munsterkäse in der Kühltheke aus dem Familienbetrieb. "Der Käse reift drei Wochen", erklärt Louis. Das Kino brauchte länger, um sich zu rentieren. 2011 wurde der Saal mit 79 Plätzen eröffnet, doch die Früchte ernten die Betreiber durch wachsende Bekanntheit erst jetzt. Auch wenn man die 3D-Brille wieder abgegeben hat, klebt einem noch der süße Winterduft in der Nase.

Maison Louis in Le Tholy,

1 Z.A. Le Rain Brice. Info unter Tel. +33 03 29 61 40 39 oder www.maisonlouis.fr; Vorführungen täglich um 14.30 und 17 Uhr, in den Schulferien zusätzlich um 10 und 16 Uhr.

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