Ihr Farben, sprecht

Saarbrücken. Wie ein Bekenntnis wirkt schon das erste Bild - rechts, hinter dem kleinen Tisch für die Aufsicht: Zu sehen ist ein nachtschwarzes Quadrat, aus dem Sterne (darunter der Große Wagen) leuchten und inmitten dieses dunklen Schlundes ein sonnenbeschienenes, miniaturisiertes Gehöft (nebst einsamem Brunnen) - "La Lilette", Till Neus Zweitwohnsitz in der Vaucluse

Saarbrücken. Wie ein Bekenntnis wirkt schon das erste Bild - rechts, hinter dem kleinen Tisch für die Aufsicht: Zu sehen ist ein nachtschwarzes Quadrat, aus dem Sterne (darunter der Große Wagen) leuchten und inmitten dieses dunklen Schlundes ein sonnenbeschienenes, miniaturisiertes Gehöft (nebst einsamem Brunnen) - "La Lilette", Till Neus Zweitwohnsitz in der Vaucluse. Von einer feinen, schaumkronenartigen Linie umschlossen, die wie ein magischer Kreis anmutet und dies Refugium zur Insel (der Geborgenheit?) werden lässt. Ein brauner Pinselstrich genügt, um das schwarze Quadrat nach unten hin zu erden.An der Stirnwand gegenüber die beiden titelgebenden, rahmenlosen Großformate (je 212 x 188 cm) der Ausstellung: "le bien" und "le mal". In ihnen illustriert Neu, Jahrgang 1944 und 1984 bis 2004 Kunstprofessor in Frankfurt, eine sein Werk prägende Dichotomie: die ewige Paarbildung der hellen und dunklen Seiten des Lebens, die er zuletzt 2008 in einer 48-teiligen Bilderwand ("Ikonostase") in der Wintringer Kapelle zu einer großen, widerspruchsreichen Erzählkette auffädelte. Auf warmem, in Gelb- und Rottöne getauchten Untergrund - ein Palimpsest, das innere Ruhe ausstrahlt - zeichnen sich Bildzitaten gleich winzige figurative Elemente ab: Adam und Eva, dem das Bild zentrierenden Lebensbaum entgegen gehend; an alte Palazzo-Ornamente erinnernde Tierpaare; dazu Sterne, die etwas von ausgestanzten Backformen haben.

Betrachtet man das daneben hängende, dunkle Pedant, wirken die schwarzen Einsprengsel in "le bien" wie Vorboten des Endes der Behaglichkeit. Spätestens der Blick auf "le mal" (mit der Silhouette eines toskanischen Kastells des Sienaesers Ambrogio Lorinzetti als Fixpunkt und Platzhalter für die Menschheitsthemen Kampf und Bedrohung) offenbart, dass die jeweiligen ikonographischen Verweise beider Bilder nicht nach dem Aschenputtel-Prinzip säuberlich nach gut und schlecht zu trennen sind. Sieht etwa der Todesengel nicht wie ein Kindheitsgefährte aus?

Drei weitere Werkkomplexe offenbaren Till Neus großes malerisches Repertoire. Eine einen Marrakesch-Aufenthalt verarbeitende leuchtend-rote Werkgruppe etwa vereint einen abstrakten Malgestus mit Rudimenten eines gegenständlichen und lässt die ummauerte Stadt im Inneren wie ein amöbenhaftes Gewirr scheinen. In gleißendem Gelb kehrt ihre mandelförmige Gestalt in "paradis . . . jamais plus" wieder - einer Anleihen in der naiven Malerei nehmenden, durchaus gebrochenen Garten-Eden-Evokation. Eine zweite Werkgruppe bilden in einen gebrochenen, graugrünen Grund gleichsam hinein diffundierende skulpturale Anleihen aus dem Berliner Pergamonaltar - wobei der mythologische Subtext mehr in Form eines Leidens-Echos anklingt.

Den Schlusspunkt dieser vorzüglichen Werkschau zweier schaffensreicher Jahre ('09 bis '11) bildet eine Auswahl aus Till Neus Berlin-Bildern, die vor 14 Monaten in der dortigen Saarländischen Galerie zu sehen waren. Darin gelingt ihm eine bemerkenswerte Allianz aus Farbfeld- bzw. monochromer Malerei und Bruchstücken einer Vergegenständlichung von Geschichte. Der bildhafte Minimalismus, mit dem Neu etwa die Mauern in China, Berlin und Palästina vergegenwärtigt, eröffnet durch Aussparung umso größere Resonanzräume. In ihnen hört man Farben sprechen.

Im Studio daneben müht sich eine Rauminstallation von Julia Wenz um eine künstlerische Hinterfragung der Möglichkeiten der Kartografie: Deren Zeichensystem auf Tüten und Bierdeckel zu implementieren, erweist sich als mäßig originell. Genauso wie die Umwidmung von Karten zu Raumobjekten - eine unausgegorene Arbeit, die unter ihren Möglichkeiten bleibt. Hingegen ist das 16-Minuten-Video der Belgier Katleen Vermeir und Ronny Heiremans so ziemlich das Hintersinnigste, was im Studioblau seit langem zu sehen war. Was als absurde Museumsführung in leeren Räumen beginnt, erweist sich als Rundlauf einer Maklerin, deren Verkaufsdiktion die elaborierter Kunstvermittlung wiederholt. Die Art, wie Vermeir/Heiremans dies bildhaft simulieren, überzeugt.

Alle drei Ausstellungen bis 18. März; Di bis So: 10-18 Uhr.

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