Konzert „Ballett bei Mozart, das geht gar nicht“

Saarbrücken · Im Rahmen der „Saarbrücker Sommermusik“ geht Mozarts Oper „Idomeneo“ als Musik- und Tanztheater-Experiment über die Bühne.

 Lisa Ströckens und Ralf Peter bringen Mozarts Oper „Idomeneo“ in einer neuen Fassung auf die Bühne.

Lisa Ströckens und Ralf Peter bringen Mozarts Oper „Idomeneo“ in einer neuen Fassung auf die Bühne.

Foto: Idomeneo

Für Mozart-Fans und alle, die es werden wollen! „Wellen entrissen“ lautet die Überschrift am Freitag, 7. September, 20 Uhr, im Gemeindezentrum Alte Kirche am St. Johanner Markt: Im Rahmen der „Saarbrücker Sommermusik“ geht hier Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Idomeneo“ als Musik- und Tanztheater-Experiment über die Bühne. Protagonisten der Kammerversion sind Lisa Ströckens (Sopran), Ralf Peter (Tenor), Thomas Layes (Klavier) und der Tänzer Mohammad Ali Deeb. Wir sprachen mit dem musikalischen Leiter Ralf Peter.


Wann war Mozarts „Idomeneo“ Ihres Wissens nach in Saarbrücken zuletzt zu erleben?

Ralf Peter: Meines Wissens nach gab es am Saarbrücker Theater nach dem Krieg zwei szenische Produktionen des Idomeneo in den Spielzeiten 1956/57 und 1998/99. Ich selber habe in einer Konzertversion im Chor mitgesungen, sozusagen an der Seite des damaligen Ensemblemitglieds Jonas Kaufmann. Das müsste zwischen 1994 und 1996 gewesen sein.

Mozart hat „Idomeneo“ als seine beste Oper bezeichnet. Nach anfänglichen Erfolgen war der Oper später freilich das Los beschieden, in teils heftigen Umarbeitungen auf der Bühne zu erscheinen. Und nun eine „experimentelle Fassung“?

Ralf Peter: Die Oper steht an der Schnittstelle zu Mozarts Spätphase. Sie ist dem 24-Jährigen als Auftrag zugeflogen, nach sechs Jahren drückender Bühnenabstinenz. Und man hat das Gefühl, er brannte regelrecht und packte musikalisch alles hinein, was er drauf hatte. Aber es gab viel Hickhack, mit dem Librettisten wegen der ausschweifenden Rezitative und auch wegen der durchwachsenen Sängerleistungen. Schon vor der Münchner Premiere flogen einige Musiknummern raus. Für eine zweite Aufführung in Wien fünf Jahre später schrieb Mozart eine revidierte Fassung. Tatsächlich hat das Libretto einige dramaturgische Schwächen, und es gab nie eine definitive Endfassung der Oper. Wenn wir hier also ein weiteres Experiment vorschlagen, stehen wir eigentlich in bester Tradition seit der Premiere.

Mozart schrieb „Idomeneo“ für das – nicht nur von ihm – hoch geschätzte Mannheimer Orchester und Ensemble. Es war im Tross des nach München umgesiedelten Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz in die Isar-Metropole München verpflanzt worden. Was hatte das für Konsequenzen für Idomeneo?

Ralf Peter: Das Mannheimer Orchester galt damals als das beste der Welt. Im Gegensatz zu seinem despotischen Pfalz-Zweibrücker Vetter, dem Homburger „Hundskarl“ Karl August (dessen Konterfei auf Millionen von Gerstensaftflaschen prangt), war Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz aufgeklärt und kunstsinnig. Mozart hatte bereits einige Konzerte am Mannheimer Hof gegeben, war sogar Musiklehrer der kurfürstlichen Kinder und war mit vielen der Instrumentalisten befreundet. So wusste er genau, was er ihnen abverlangen konnte, und hat entsprechend für höchste Ansprüche komponiert.

Bei der Sommermusik erklingt eine stark „reduzierte“ Fassung. Was hat die Reduktion auf zwei Sänger und Darsteller für Folgen?

Ralf Peter: Das Besondere an der Saarbrücker Sommermusik ist ja, dass sie ein für Experimente sehr aufgeschlossenes Publikum erreicht. Natürlich sollte man eine große Oper einem entsprechend ausgestatteten Haus überlassen. Dennoch liegt ein besonderer Reiz gerade in der kammerspielartigen Fokussierung auf wenige psychologisch verdichtete Motive, die in der Opulenz der großen Bühne mitunter verschwimmen können. Es gelingt uns tatsächlich, in einer knappen Stunde etwa die Hälfte der gesamten Musiknummern zu präsentieren. Man erlebt zwei Sänger in vier Hauptrollen. Dabei werden einzelne, emotional hoch aufgeladene Handlungsmomente sozusagen mikroskopisch betrachtet. Durch diese Abstraktion kann das innere Erleben der Figuren für jeden nachvollziehbar gemacht werden.

Immerhin gibt’s in Saarbrücken das selten inszenierte Ballett zu sehen, freilich mit einem einzigen Tänzer …

Ralf Peter: Ballett bei Mozart, das geht gar nicht!, werden manche denken. Dabei stellt es einen wesentlichen Charakterzug der Oper dar. Geschuldet dem Kompositionsauftrag, der ausdrücklich italienischen und französischen Opernstil zusammengeführt haben wollte, und dazu gehörte aus französischem Erbe alternativlos der Tanz. Diese Ballettmusik gilt als eine der ergreifendsten der gesamten Klassik und ist nicht bloß dekorative Zutat von Mozart, sondern deutlich aus der Handlung begründet. In der Tat wird es aber meistens gestrichen. Wir nutzen es gezielt als Möglichkeit, bei aller Abstraktion der Inszenierung, mit dem Tänzer eine erhellende zweite Bedeutungsebene aufzumachen.

Anstatt Mozarts Orchestermusik wird das Sommermusik-Auditorium also nur einen Pianisten hören?

Ralf Peter: Hätten wir einige Tausend Euro mehr zur Verfügung, würden wir gerne mit dem vollen Orchester arbeiten. Nein, wieder gilt, aus der Reduktion zu profitieren. Natürlich bedarf es eines extrem versierten Pianisten, um die komplexe und hochvirtuose Orchestermusik zum Leben zu erwecken: Thomas Layes hat das alles in den Fingern und macht so manche Feinheit mindestens ebenso transparent wie ein gut geführtes Orchester, das im übrigen auch nicht jedes Haus in entsprechender Qualität aufzubieten hat. Warum also hören wir die Musik nicht ruhig mal so, wie sie der Komponist vielleicht zuallererst am Klavier entwickelt hat?

Die Saarbrücker Inszenierung rückt ein aktuelles Thema in den Mittelpunkt: Es geht um die allerorten heiß diskutierte Flüchtlingsfrage und ihre Auswirkungen.

Ralf Peter: Idomeneo ist eine der Opern, die am eindrücklichsten den Krieg und seine Folgen beschreiben. Alle Figuren sind extrem traumatisiert. Die Handlung ist gespickt mit Seestürmen und lebensbedrohlichen Schiffbrüchen auf dem Mittelmeer. Man wird quasi Zeuge einer Dauerkette von scheiternden Versuchen, dem Schicksal zu entgehen. Uns hat es wirklich überrascht, wie aktuell die Oper ist. Deshalb sind wir glücklich und gleichzeitig betroffen, mit Mohammad Ali Deeb einen ausdrucksstarken Balletttänzer zu haben, dessen ganze Lebensgeschichte mit dem Thema Flucht verwoben ist. Als gebürtiger Palästinenser ist er in syrischen Flüchtlingslagern aufgewachsen und hat eine Asyl-Odyssee hinter sich. Er ist anerkannter Asylant in Deutschland und unter anderem Gast am Saarländischen Staatstheater.

Freitag, 7. September, 20 Uhr, Gemeindezentrum Alte Kirche St. Johann (Ev. Kirchstraße 27), Eintritt frei,
www.saarbruecken.de/sommermusik

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