"Ich ziehe der Sonne und der Arbeit entgegen"

Saarbrücken. Sein Haus am Saarbrücker Triller hat ihm die renommierte Rena Wandel-Höfer gebaut, heute Saarbrücker Baudezernentin. Kurt-Josef Schildknecht hat sehr daran gehangen

Saarbrücken. Sein Haus am Saarbrücker Triller hat ihm die renommierte Rena Wandel-Höfer gebaut, heute Saarbrücker Baudezernentin. Kurt-Josef Schildknecht hat sehr daran gehangen. Auch seinen Generalintendanten-Job, den er 1991 antrat und 15 Jahre erfolgreich gestaltete, mochte er so leidenschaftlich gern, dass er bereit gewesen wäre, trotz Verwerfungen mit dem damaligen Kulturminister Jürgen Schreier weiterzumachen. Und dem Saarland fühlte sich der gebürtige Schweizer so verbunden und verpflichtet, dass er sich im Jahr 2009 sogar bereit erklärt hatte, für die Linke als Kulturminister anzutreten. Vorbei, vorbei.Ende 2011 fiel die Entscheidung. Das Saarbrücker Haus ist verkauft, ein neues gekauft. Adieu. Verspätet ausgelebte Enttäuschung oder gar Rache? Schließlich ist Schildknecht heute noch überzeugt, dass er, obwohl er selbst 2006 die Reißleine zog, aus dem Amt gemobbt wurde: "Ich hätte meinen Vertrag, der bis 2009 lief, gern erfüllt." Doch "dass die Sparmaßnahmen, die man mir auferlegt hatte, später weitgehend zurückgenommen wurden", das nennt er nun nicht mehr bitter oder unfair, sondern schlicht "traurig". - Vom heiligen Zorn, der ihn in den ersten Jahren nach seinem Rückzug 2006 ob dieser Beobachtung erfasste, spürt man nichts mehr. Er hat längst seinen Frieden gemacht mit dieser Lebensphase. Im Gespräch vermittelt er gar eine heitere Gelassenheit, die man früher nicht an ihm kannte. Doch warum geht er dann? Und wohin? Er zieht mit seiner Frau, der Sopranistin Barbara Gilbert, aufs Land nach Kärnten (Österreich), nach Bad Kleinkirchheim. 300 Sonnentage im Jahr, Venedig, Bozen, Zagreb rund zwei Stunden entfernt. "Ich habe den Süden immer gemocht, und die meisten Inszenierungs-Angebote kommen aus der Schweiz oder aus Süddeutschland." Sprich: Er zieht der Sonne und der Arbeit entgegen. Bei drei Inszenierungen pro Spielzeit/Jahr liegt seine Quote, seit er hier aufhörte: Würzburg, Trier, Meiningen, Wien, St. Gallen, Salzburg und oft Zagreb. Die Stücke: Kirschgarten, Parsifal, Les Misérables, Dreigroschenoper, West-Side-Story.

"Ich muss nicht fragen, ich werde angerufen", sagt Schildknecht. Irgendwann kam die Anfrage aus Kaiserslautern, für das russische National-Epos, die Mussorgski-Oper "Boris Godunow": "Es ist ein politisches Stück, das habe ich immer gemocht. Am Einzelschicksal lässt sich Exemplarisches und Zeitlos-Aktuelles zeigen: Wie ein Zar, ein Politiker, für seine Karriere über Leichen geht. Und dass das Volk immerzu laviert und nicht merkt, dass es auch beim zweiten Mal auf den Falschen reinfällt." Aktualisierungen? Querbürsterei? Überflüssige Frage, beides war nie Schildknechts Stil. "Es wird keine heutigen Kostüme geben. Aber wer will, kann Parallelen erkennen zu Bildern aus dem Irak. Ich möchte nichts platt vorgeben." Warum er ausgerechnet die massige Chor-Oper "Godunow" an einem kleineren Haus herausbringt - allein diese Betrachtung hält er für fragwürdig: "Es ist ein falscher Dünkel, dass Saarbrücken sich in einer Führungsrolle wähnt. In Kaiserslautern steht ein neu gebautes Theater, und es ist blendend besucht." Am Samstag reist ein beachtlicher Saar-Fan-Tross an: "Mehr als 35 haben sich angemeldet. Das sind schöne Gefühle. Man merkt, die Arbeit wurde und wird geschätzt."

Wie es wohl nach Oktober weiter geht mit den Saar-Kontakten? Bis dato wurden Schildknecht überall in die Welt SZ-Berichte nachgeschickt. Der Ex-Intendant mit hohem kulturpolitischen Engagement, Ethos und Ehrgeiz blieb dicht dran an der Saar-Kultur. Der Museums-Skandal etwa, meint er, war "vorhersehbar": viel zu niedrig kalkuliert, "überstürztes" wahltaktisches Vorgehen, der falsche Standort: "Ich kann mich immer noch aufregen". Wetten, auch in Kärnten?

Premiere "Boris Godunow": 9.6., Karten: (0631) 36 75 311.

Foto: oliver dietze

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