"Ich würde mich an jeden Fördertum ketten"

Reden. "Glück auf!": Die Antwort auf Delf Slottas Begrüßung im Redener Lampensaal kam prompt. Und dutzendfach. "Gück auf!" aus rauen Kehlen. Noch funktioniert das - wie es im Saarland lange selbstverständlich war, bald aber schon Geschichte sein wird. Ende Juni 2012 soll die letzte Kohle hier gefördert sein. Der Ausstieg aus dem Bergbau ist besiegelt

 Fördertürme, wie dieser hier in Reden, sind für den früheren Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt unverzichtbare "Landmarken", die man unbedingt erhalten müsse. Foto: Becker & Bredel

Fördertürme, wie dieser hier in Reden, sind für den früheren Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt unverzichtbare "Landmarken", die man unbedingt erhalten müsse. Foto: Becker & Bredel

Reden. "Glück auf!": Die Antwort auf Delf Slottas Begrüßung im Redener Lampensaal kam prompt. Und dutzendfach. "Gück auf!" aus rauen Kehlen. Noch funktioniert das - wie es im Saarland lange selbstverständlich war, bald aber schon Geschichte sein wird. Ende Juni 2012 soll die letzte Kohle hier gefördert sein. Der Ausstieg aus dem Bergbau ist besiegelt. "Was aber bleibt dann von der Kohle?", wollte die Friedrich-Ebert-Stiftung nun wissen - und lud zur Podiumsdiskussion auf die alte Grube Reden. Knapp 200 kamen am Dienstagabend in den Lampensaal des Zechenhauses, frühere Bergleute darunter, auch noch aktive. Schon das eine Aussage: Die Bergbau-Geschichte des Landes berührt viele.

Slotta, seit Jahren unermüdlicher Industriekulturbewahrer, das als Manager im Redener Zechenhaus mittlerweile auch im Hauptberuf, zielte mit seinen vier Mitdiskutanten auf eine grundsätzliche, leider bisweilen auch mäandernde Debatte. Manches, was da gesagt wurde, etwa, dass "ohne den Bergbau das Saarland nicht vorstellbar ist", so Ex-Ministerpräsident Reinhard Klimmt (SPD), blieb nahe am Gemeinplatz. Andererseits: Vielleicht muss eben dieses scheinbar so Selbstverständliche laut gesagt werden. Wo viele Grundschüler schon nicht mehr wissen, wie ein Stück Kohle aussieht.

Also, bereits fünf nach (zweitausend-)zwölf für die Aufarbeitung dieses wichtigen Kapitels Industriekultur? Fast unmöglich sei es, die Arbeitskluft von Bergleuten aus dem 19. Jahrhundert zu bekommen, erklärte Gerhard Ames, Direktor des Historischen Museums Saar beispielhaft Sammlungsnöte. Die schicke Bergmannsuniform, ja die bewahrten viele auf, die alltägliche Kleidung, die Spuren der schweren Arbeit zeigte, schmiss man weg. Selbst für den vielfach formulierten Wunsch, das Ende des Bergbaus 2012 mit einer großen Ausstellung zur Technik- aber auch Sozial- und Alltagsgeschichte zu begleiten, werde es knapp, meinte Ames: "In Museumszeitplänen gedacht, ist es dafür fast schon zu spät".

Auch SPD-Chef Heiko Maas' Kritik setzte da an. Es gebe kaum grundsätzliche Überlegungen in der Landespolitik, wie man sich des Bergbaus und der Menschen, die von und mit ihm lebten, erinnern will. "Ich sehe nicht, dass das bei den derzeit Regierenden ein Thema ist", sagte Maas. Da gelte es zunächst Vorschläge zu entwickeln und dann zu überlegen, wie es finanzierbar ist. "Es ist eine politische Frage, wofür man Geld ausgibt", so der SPD-Chef. Leider fehlte da in Reden der Gegenpart von Seiten der Landesregierung.

Was nun von der Technik erhaltenswert ist und manches, wie Rudolf Krumm von der RAG Montan Immobilien ausführte, ja bereits saniert ist, auch darüber wird nach wie vor debattiert. "Ich würde mich am liebsten an jeden Förderturm ketten", rief Klimmt unter Beifall aus. Schon, weil es Landmarken seien, die Heimat vermittelten. Ames hingegen warnte auch vor allzu vielen "stummen" Technikzeugnissen: "Man muss die Denkmäler auch zum Sprechen bringen." Will heißen, etwa die Erinnerungen der Bergleute notieren, aufzeichnen, festhalten. Auch stellten sich die Fragen, was etwa vom hohen Anspruch des Ganser-Gutachtens, einst als industriekulturelle Leitline gedacht, bleibt? Und was die Industrie Kultur Saar (IKS) tatsächlich auf der Haben-Seite verbuchen kann?

Viele offene Fragen also am Ende einer intensiven Diskussion. Die eines aber deutlich machte: Es ist höchste Zeit, sich über die Geschichte der Kohle Gedanken zu machen.

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