„Ich will Gefühle ins Wanken bringen“

Saarbrücken · In diesem Semester hat die Regisseurin Sylke Enders die Max-Ophüls-Professur an der HBK inne. Ab heute stellt sie einige ihrer Filme im Kino Achteinhalb vor. Wir haben vorab mit ihr gesprochen: über jugendliche Überheblichkeit, über die Vorteile von Kompromissen und das Schöne am US-Fernsehen.

 Sylke Enders am Berliner Flughafen Schönefeld bei den Dreharbeiten zu „Schönefeld Boulevard“. Der Film erzählt von einer Frau, „deren Hoffnung so stillsteht wie der Bau des Flughafens“. Foto: Enders

Sylke Enders am Berliner Flughafen Schönefeld bei den Dreharbeiten zu „Schönefeld Boulevard“. Der Film erzählt von einer Frau, „deren Hoffnung so stillsteht wie der Bau des Flughafens“. Foto: Enders

Foto: Enders

"Loben? Das mach ich leider oft nur bei Hunden oder Kindern", sagt die Regisseurin Sylke Enders. Muss man sich also um das Seelenheil der Studierenden sorgen, mit denen die neue Gastprofessorin der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) im Juli einige Kurzfilme dreht? Wohl nicht, denn Enders drückt sich gerne und unüberhörbar ironisch aus, mit einer "preußisch-schnoddrigen Art", wie sie es nennt.

Lehrerfahrungen hat sie schon an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) gemacht, an der sie selbst von 1996 bis 2002 studiert hat. "Das eine oder andere Mal erkennt man bei den Studenten die eigenen Schwächen wieder, jugendliche Überheblichkeit, das Gefühl, eigentlich schon ausgelernt zu haben." Saarbrücken wird da im Vergleich wohl ein weniger steiniges Pflaster sein, denn "man hat mir glaubhaft versichert, dass die Studenten sehr wissbegierig und respektvoll im Umgang sind". In dieser Woche wird die 49-Jährige sie kennenlernen, erste Entwürfe lesen, prüfen, ob die sich überhaupt umsetzen lassen. Im Juli wird dann zwei Wochen am Stück gedreht, "das ist wenig Zeit - wir werden sicher 18 Stunden am Tag ran müssen". Vorgeben will Enders nichts. "Ich höre mir an, was jeder will, und dann muss man schauen." Nicht zwingend jede Idee wird sich umsetzen lassen, sagt sie, "und manchmal macht es sich auch bezahlt, Kompromisse einzugehen".

Überraschend klingt das aus Enders' Mund, denn ihre eigene Arbeit wirkt nicht wie eine Reihe von Kompromissen, sondern wie ein konsequenter Weg abseits des Gängigen. Ihr Spielfilmdebüt "Kroko" aus dem Jahr 2002 erzählt von jugendlicher Orientierungslosigkeit und Aggression, der Film "Hab mich lieb!" (2003) von einer schwierigen Freundschaft, "Mondkalb" (2008 im Saarbrücker Ophüls-Wettbewerb) von - unter anderem - Gewalt gegen Kinder. Dass Matthias Schweighöfer sie demnächst bitten könnte, mit ihm eine romantische Komödie zu inszenieren, ist also nicht sehr wahrscheinlich. "Neee, det ist richtig", sagt Enders, die in Brandenburg geboren ist und seit 30 Jahren in Berlin lebt. Dass solche Sujets nicht zwingend hitverdächtig sind, ist ihr klar - so kann man es schon als Sieg sehen, dass sie mittlerweile auch fürs Fernsehen arbeitet, ohne filmisch glatt geworden zu sein. Ihr ARD-Film "Du bist dran" über Rollenverteilung in einer Beziehung lief sogar um 20.15 Uhr und nicht spätabends, wohin das Fernsehen vieles Interessante so gerne abschiebt. Und die Resonanz bei der Kritik und den Zuschauern war sehr gut. "Ich habe mein Ziel da nicht unbedingt verfehlt."

Ihr eigener Anspruch ist, die Gefühle der Zuschauer "ins Wanken zu bringen, es soll etwas passieren mit ihnen - und das tut es ja auch, wenn sie sich aufregen". Das Fernsehen und selbst das Kino könnten generell noch mehr wagen, findet sie, das aktuelle amerikanische Fernsehen mit seiner virtuosen Verbindung von Anspruch und Unterhaltung sei eine Wohltat. Im Kino imponiert hat ihr zuletzt der deutsche Film "Love steaks", der mit seiner frischen, überraschenden Liebesgeschichte unter anderem den Ophüls-Preis 2014 gewonnen hat. "Wenn ich so einen Film sehe", sagt Enders, "dann denke ich: Na also, geht doch."

Enders jüngster Film "Schönefeld Boulevard" feiert Anfang Juli beim Filmfest München Premiere, die Geschichte der jungen Cindy aus Schönefeld, "deren Hoffnung so stillsteht wie der Bau des Flughafens", sagt Enders, mehr aber sagt sie nicht, "denn diese Inhaltszusammenfassungen finde ich immer schrecklich".

Das Kino Achteinhalb zeigt drei Filme von Sylke Enders: heute "Kroko", am Freitag "Hab mich lieb!" und am Samstag "Mondkalb". Die Filme beginnen jeweils um 20 Uhr, am Donnerstag und am Freitag ist die Regisseurin im Achteinhalb und spricht über ihre Arbeit.

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