Hommage an einen Meisterdetektiv

Er ist erfinderisch, exzentrisch und typisch english – Sherlock Holmes. Fans des berühmten Meisterdetektivs treffen sich an diesem Wochenende in Saarbrücken zur 2. Sherlocon. Vorab sprach SZ-Mitarbeiterin Sophia Schülke mit dem Kölner Buchhändler, Filmwissenschaftler und Holmes-Experten Michael Ross.

 Der Publizist Michael Ross gilt als führender „Sherlockianer“ Deutschlands. Foto: privat

Der Publizist Michael Ross gilt als führender „Sherlockianer“ Deutschlands. Foto: privat

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Welche ist Ihre liebste Holmes-Geschichte?

Ross: Schwierig. Denn die Widersprüchlichkeit der Person entsteht aus mehreren Geschichten. Das Erzähl-Talent von Arthur Canon Doyle zeigt sich bei den Kurzgeschichten in "Das gefleckte Band" am besten. Bei den Romanen im "Hund der Baskervilles", weil es hier eine realistisch konstruierte Geschichte gibt und mit der Moor-Landschaft eine wunderbar dichte Atmosphäre erzeugt wird.

Er ist oft exzentrisch, manchmal sadistisch - welche Eigenschaft von Sherlock Holmes können Sie nicht leiden?

Ross: Einige. Der Holmes-Darsteller Jeremy Brett sagte mal, er würde nicht die Straße überqueren, um Holmes die Hand zu schütteln. Dafür erntete er viel Kritik von der Fangemeinde, aber ich verstehe, was er meint. Die Figur ist kühl, rational, manchmal fast sadistisch, hat kein Interesse, anderen zu gefallen und schaltet Gefühle aus, insofern sie denn überhaupt welche hat. Er ist gesellschaftlich nicht kompatibel und pampig gegenüber Autoritäten - aber das ist unterhaltsam und amüsant, wenn denen einmal Paroli geboten wird.

Holmes ist der unterkühlte Meisterdetektiv, Watson ein biederer Typ. Sind die Geschichten wegen dieser Gegensätze so erfolgreich?

Ross: Watson ist vielleicht die innovativere Erfindung. Ja, er ist furchtbar normal und kommt aus der Mitte der Gesellschaft, aber mit ihm kann man sich identifizieren. Ich würde eher mit Watson ein Bier trinken als mit Holmes. Der Erfolg und die Unterhaltung ergeben sich auch aus der Art Watsons, mit einer ironischen Distanz von Holmes' Pampigkeit zu berichten.

Sind die Geschichten literarisch wertvoll?

Ross: Klar, es ist keine Weltliteratur. Was man Doyle aber lassen muss, ist sein großes Talent als Erzähler für die Herausbildung einer Persönlichkeit und das Schaffen von Atmosphäre. Vor ihm war kein Autor so bekannt für gute Detektivgeschichten wie er, nach ihm wurden es nur wenige.

Der exzentrische Detektiv findet sich auch in Krimiromanen von Hammett und Chandler, später mit dem Film noir auch im Kino. Wie verwandt ist er mit Sherlock Holmes ?

Ross: Sherlock Holmes ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Er ist gut angezogen und verhält sich gegenüber Frauen als Gentleman. Sein Beruf ist gesellschaftlich nicht anerkannt und mit seinem unsteten Leben bewegt er sich außerhalb der Gesellschaft. Aber er muss sich nicht so schmutzig machen wie die Noir-Detektive und sich durch Schießereien wehren oder Prinzipien über Bord werfen. Zum modernen Krimi mit seinen Anti-Helden hat noch eine eigene, klare Entwicklung stattgefunden.

Was unterscheidet Doyle-Stories von modernen Krimis?

Ross: Sie sind keine modernen Thriller mit ständig neuen Leichen und Rätsel-Spannung bis zur Aufklärung auf der letzten Seite. Es sind, so nannte sie der Autor selbst, Abenteuergeschichten. Der Täter ist in "Das gefleckte Band" schnell klar, die Rätsel nicht so komplex wie bei Agatha Christie . Oft geht es darum, herauszufinden, wie der Täter vorgegangen ist und ihn zu überführen. Das Tolle ist bei Doyle: Beim wiederholten Lesen erfreut man sich der reichen Sprache.

Durch Fernseh- und Filmversionen hat sich die Figur verselbständigt. Prägt sie das Bild von den Briten?

Ross: Der Grad der Verselbständigung ist sehr stark. Aber das begann schon zu Lebzeiten Doyles. Theaterstücke, Billighefte und deutsche Autoren übernahmen Versatzstücke der Figur. So gehen Klischees wie die unsäglich karierten Klamotten und Sätze wie "Ich kombiniere" nicht auf Doyle zurück. Originalgetreue Versionen beziehen viel Charme aus der Darstellung des Viktorianischen Englands - aber ob Doyle einen typischen Engländer darstellen wollte?

Michael Ross referiert morgen, 12 Uhr, im Saarbrücker Domicil Leidinger.

Zum Thema:

Auf einen BlickVon heute bis Sonntag findet in Saarbrücken die 2. Sherlocon in Saarbrücken statt - mit Lesungen, einem Krimi-dinner, Theater, Spielen und Vorträgen. Zudem findet morgen eine Messe statt, bei der Verlage ihre Publikationen rund um Sherlock Holmes verkaufen. Das vollständige Programm sowie Karten unter www.sherlocon.info . red

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