Hoffentlich ansteckend: „Polen-Fieber“

Saarbrücken · Für Bernhard Leonardy sind es die ersten Musikfestspiele, die er als künstlerischer Leiter verantwortet. Umso nervöser blickt er auf den noch zögerlichen Vorverkauf des Festivals, das am 28. Februar beginnt.

 Bernhard Leonardy lässt keine Chance ungenutzt, um für die Musikfestspiele zu trommeln. Hier verteilt er den Festival-Sonderdruck auf dem St. Johanner Markt. Foto: Becker & Bredel

Bernhard Leonardy lässt keine Chance ungenutzt, um für die Musikfestspiele zu trommeln. Hier verteilt er den Festival-Sonderdruck auf dem St. Johanner Markt. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Tropfnasig, hustenggebeutelt und vergrippt sind derzeit viele, bloß das "Polen-Fieber" grassiert noch nicht im Saarland, bedauert Bernhard Leonardy. Eine Woche vor dem Auftakt der Musikfestspiele Saar , die dieses Mal im Zeichen Polens stehen, hat das Festival bislang bestenfalls erhöhte Temperatur. "Das Eröffnungskonzert mit Stanislaw Skrowaczweski ist fast ausverkauft", freut sich der künstlerische Leiter. Auch die Folgetermine, der Konzertabend etwa mit den Münchner Philharmonikern und Ausnahme-Cellistin Sol Gabetta (10. März) locken offenbar die Musikfreunde. Dennoch ist Leonardy noch ein wenig bang, schaut er auf den Ticketverkauf.

400 000 Euro muss die kleine Festival-gGmbH durch die Eintrittskarten erwirtschaften, knapp ein Drittel des Gesamtetats. So haben es sein Vater, Robert Leonardy , Festspiel-Intendant, und er kalkuliert. Und sie wissen nur zu gut, dass sie sich im Jubiläumsjahr der Festspiele (25 Jahre gibt es sie bereits) ein so anspruchsvolles wie schwieriges Motto gewählt haben. Das Musikland Polen - für viele ist das, lässt man mal den Fixstern Chopin außer Acht, noch Terra incognita. "Ein Selbstläufer wie das Italien- oder Frankreichfestival wird das nicht", sagt Bernhard Leonardy. Selbstkritisch blickt er auch auf den frühen Start des mit sechs Monaten Laufzeit arg gestreckten Konzertmarathons. "Kompakter werden", lautet denn jetzt schon mal ein guter Vorsatz fürs Festivaljahr 2017. Diesmal aber, meint Bernhard Leonardy, "war der Start durch Skrowaczewskis Terminkalender und sein Konzert mit der Deutschen Radio-Philharmonie gesetzt." Denn ein Polen-Festival ohne den 91-jährigen Dirigenten und Komponisten, wäre undenkbar.

Mehr denn je aber, müssen die Leonaryds dieses Mal auf die "Marke" Musikfestspiele setzen, auf ein Publikum, das den Empfehlungen der Festivalmacher vertraut. Letztlich ist Bernhard Leonardy zuversichtlich, dass dies beim ersten Festival, das er als künstlerischer Leiter verantwortet, funktioniert. Anreiz dazu sollen klangvolle Namen bieten - Star-Geiger Nigel Kennedy , Gidon Kremer und seine Kremarata Baltica, Orgelwirbelwind Cameron Carpenter und die Pianisten Ingolf Wunder, Ewa Kupiec und Rafal Blechacz. Andererseits versucht man mit Kino aus Polen und einem Handwerkermarkt auch Publikum jenseits der Konzertgänger anzusprechen. Manchmal ein Balanceakt, soll das Musikfestival nicht zur polnischen Wundertüte werden.

Und dann geht es ja immer auch ums Geld. Enttäuscht ist der künstlerische Leiter da bislang vom Bund und Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Zwar ist sie wie ihre polnische Amtskollegin Malgorzata Omilanowska Schirmherrin des Festivals, doch während Polen via Adam-Mickiewicz-Institut rund 100 000 Euro gibt, kamen aus Berlin bislang nur warme Worte. "Da müsste doch wenigstens ein Gleichgewicht zwischen Deutschland und Polen sein", meint Leonardy. Das Gros der Sponsoren aber ziehe mit. Auch der Merziger Pharma-Unternehmer Edwin Kohl , der im November verkündet hatte, seine Firma streiche ihr komplettes Kultursponsoring , habe sein zuvor gegebenes Wort gehalten und unterstütze diese Festivalausgabe.

Übrigens, an einem Punkt haben die Festspiele ihr Programm sogar noch ausgeweitet. Nach dem Wirbel im Herbst darum, ob der russische Dirigent und Putin-Vertraute Valery Gergiew beim Polen-Festival dirigieren werde (was der polnischen Botschaft klar missfiel), und man schließlich den polnischen Dirigenten Michal Nesterowicz für das Konzert am 10. März mit den Münchnern verpflichtete, hat man jetzt die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg eingeladen (22. April in Lebach). "Wir sind kein politisches Festival", betont Leonardy. Aber ein Konzert eines russischen Orchester bei einem Polen-Festival ist ja vielleicht doch ein Zeichen, dass Musik dort Brücken baut, wo die Politik diese gerade einreißt.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Musikfestspiele Saar im Zeichen Polens beginnen am 28. Februar, 20 Uhr, mit dem Konzert der Deutschen Radio Philharmonie unter Stanislaw Skrowaczewski, in der Saarbrücker Congresshalle. Das Festival, das bis zum 22. Juli läuft, umfasst über 60 Konzerte, Operngastspiele, Lesungen, Filmvorführungen und weitere Veranstaltungen. Karten: Tel. (06 81) 97 61 00.musikfestspiele-saar.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort