Höchster Finanzrichter kritisiert Machtfülle der Finanzverwaltung

Saarbrücken. Nachdem schon der Vorsitzende des Saarbrücker Rechtsforums, Manfred Birkenheier, kritisierte, dass die Finanzbehörden weitgehend selbst darüber entscheiden, wann sie Gesetze anwenden, bestätigt nun auch der Präsident des Bundesfinanzhofes, Wolfgang Spindler (Foto: ddp), diese Einschätzung

Saarbrücken. Nachdem schon der Vorsitzende des Saarbrücker Rechtsforums, Manfred Birkenheier, kritisierte, dass die Finanzbehörden weitgehend selbst darüber entscheiden, wann sie Gesetze anwenden, bestätigt nun auch der Präsident des Bundesfinanzhofes, Wolfgang Spindler (Foto: ddp), diese Einschätzung.Der oberste deutsche Finanzrichter kritisierte in einem Vortrag zum Steuerrecht insbesondere die Praxis der so genannten Nichtanwendungserlasse. Das sind Schreiben des Bundesfinanzministeriums, in denen die Ämter angewiesen werden, bestimmte Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht auf Parallelfälle anzuwenden. Der Bund praktiziert dies etwa in jedem 60. Fall und überlässt es dabei den Behörden, in eigener Verantwortung über die Anwendung des Rechts zu entscheiden. Bürger könnten im Zweifelsfalle klagen - dann müssten erneut die Gerichte entscheiden - im Extremfall erneut bis zum Bundesfinanzhof. Sollte der Bundesfinanzhof dann an seinem früheren Urteil festhalten, bleibt dem Finanzministerium erneut der Nichtanwendungserlass. Viele der Teilnehmer des Rechtsforums allerdings halten diese Praxis für verfassungswidrig. Sie sprachen in der Diskussion von einen groben Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Ganz so weit wollte BFH-Präsident Spindler nicht gehen. Er ließ ausdrücklich offen, ob das Ganze mit dem Grundgesetz noch vereinbar sei oder nicht. Es passe aber zu einer Machtverlagerung weg von der Gesetzgebung und der Justiz hin zur Verwaltung. Als Problem bezeichnete Spindler die Informationspolitik. Nirgendwo in den Steuerbescheiden werde erwähnt, dass es ein für die Bürger günstiges BFH-Urteil in einem Parallelfall gibt, das nicht angewandt worden ist. Das, so der oberste Finanzrichter, sei aber wohl das Mindeste, was man im Zuge eines Nichtanwendungserlasses fordern müsse. wi

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