Schwimm-DM Der Chef fordert Mut zur Veränderung

Berlin · Bei den deutschen Meisterschaften der Schwimmer in Berlin geht es um die WM-Qualifikation – und die Kritik an Henning Lambertz.

() Nach der scharfen Kritik von Paul Biedermann nahm Henning Lambertz das Telefon zur Hand und schrieb seinem einstigen Vorschwimmer eine Nachricht. Die Folge: Bei der an diesem Donnerstag beginnenden deutschen Meisterschaft in Berlin werden sich der Bundestrainer und der ehemalige Weltmeister aussprechen. Wahrscheinlich wird Lambertz viele solcher Gespräche führen müssen, denn seine umstrittenen Maßnahmen nach dem erneuten Olympia-Debakel schlagen im deutschen Schwimmsport hohe Wellen.

Gegen die zum Teil heftige Kritik wehrt sich der unter Druck geratene Lambertz. „Alle müssen den Mut haben, auf den Entscheidungen meines Teams nicht herumzuhacken, sondern sie eigenmotiviert umzusetzen“, sagt Lambertz: „Ich vermisse bei einigen die Aufbruchstimmung, die Haltung: Jetzt packen wir es an!“

Ein „Weiter so“, betont Lambertz, könne es nicht geben. Ansonsten seien die nächsten Pleiten programmiert. Deshalb hat er ein Maßnahmen-Paket geschnürt, das ein neues Kraftkonzept, deutlich härtere Normen und eine stärkere Zentralisierung beinhaltet – und das (erwartungsgemäß) nicht überall auf Gegenliebe stößt. „Wenn in zwei Jahren zu sehen ist, dass zum Beispiel das Kraftkonzept keine Verbesserung bringt, dann können wir es abändern, in den Papierkorb schmeißen oder mich mit Schimpf und Schande vom Hof jagen“, sagt der 46-Jährige: „Aber wir müssen etwas probieren.“

Damit tut man sich im deutschen Schwimmen aber traditionell schwer. Der Bundestrainer versuche, „allen eine Doktrin aufzudrücken, von der nur er selbst überzeugt ist“, sagte der zurückgetretene Weltrekordler Biedermann kürzlich der Süddeutschen Zeitung. Bei der kritischen Bewertung von Lambertz’ Maßnahmen scheinen aber auch alte Rechnungen beglichen zu werden. Biedermanns Ex-Trainer Frank Embacher, der sich zurzeit mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) im Rechtsstreit wegen seines ausgelaufenen Vertrages befindet, ätzt gegen Lambertz: „Wer nicht bei seinem System mitmacht, hat keine Chance bei ihm. Da kann ich verstehen, wenn Betroffene von Nötigung sprechen.“

Das neue, auf Maximalkraft angelegte Kraftkonzept sehen manche Heimtrainer als Einmischung in ihre Arbeit. Für Wirbel sorgte der Fall Vanessa Grimberg. Die WM-Halbfinalistin verliert ihre Anstellung als Sportsoldatin bei der Bundeswehr, weil sie nicht wie von Lambertz gewünscht von Stuttgart zum Bundesstützpunkt Heidelberg wechseln will. „Ich will niemandem etwas aufzwingen“, sagt Lambertz: „Wollen sie ihr eigenes Ding machen, muss und werde ich dies akzeptieren, allerdings erfahren sie vom DSV dann keine Unterstützung mehr.“

Keine Frage: Lambertz ist deutlich weniger kompromissbereit als in den ersten Jahren nach seinem Amtsantritt 2013. Das liegt zum einen am Reformdruck des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zum anderen aber auch daran, dass der Wuppertaler seine Arbeit immer am jetzigen Olympiazyklus messen lassen wollte. Er spürt, dass die Schonfrist einen Monat vor der WM in Budapest abläuft.

Der Rückhalt des neuen Präsidiums ist ihm noch sicher, auch Weltmeister Marco Koch („Er ist der richtige Mann“) steht hinter dem Bundestrainer. Zudem hat Lambertz in den vier Kern-Stützpunkten in Essen, Hamburg, Heidelberg und Berlin Leute als hauptverantwortliche Trainer installiert, die seinem Weg folgen. Bei einigen Trainern und Athleten müsse er jedoch „extrem dicke Bretter bohren“, gibt er zu.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort