Helmut, der Große, ist wieder da

Cannes · Wer hätte das gedacht? Helmut Berger ist wieder in einem Kinofilm zu sehen – „Saint Laurent“ – und beschert ihm die besten Momente. Gute Kritiken erntet auch „Partygirl“, ein Film um eine Frau aus Forbach.

 Angélique Litzenburger im Film „Partygirl“. Foto: Festival

Angélique Litzenburger im Film „Partygirl“. Foto: Festival

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Tagtäglich wird hier um mediale Aufmerksamkeit gerungen und gebuhlt, man will neue Filmprojekte bewerben. An diesem Wochenende nutzten einige Stars die Strahlkraft des Festivals für Eigenwerbung: Gérard Depardieu etwa flog für die Uraufführung von "Welcome to New York" ein - einem Film, der inspiriert wurde vom Vergewaltigungsskandal um Dominique Strauss-Kahn vor drei Jahren und jetzt schon im Internet legal als Download zu haben ist. Gleich eine ganze Raubein-Riege kam für die Ankündigung von "The Expendables 3". Standesgemäß passend zu dieser Beschäftigungsmaßnahme für gereifte Kinohelden posierten Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger vor dem Carlton-Hotel - auf Panzern.

Der Wettbewerb setzte immerhin einen Haudegen dagegen: Tommy Lee Jones hat nach "The Three Burials" mit "The Homesman" erneut eine Regiearbeit in der Konkurrenz. Wieder handelt es sich um einen Western, wieder spielt er die Hauptrolle - diesmal neben der Doppel-Oscar-Preisträgerin Hilary Swank. Zusammen sind sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die unwirtliche Natur Nebraskas unterwegs, um drei Frauen nach Iowa zu bringen, die die Entbehrungen und das von männlicher Gewalt dominierte Pionierleben psychisch krank gemacht haben. "Ich wollte einen Einblick geben, wie unzivilisiert die Zivilisation sein kann", sagte Jones in Cannes im Hinblick auf die damalige Zeit, deren extreme Härte er hier zwar zeigt. Immer wieder löst er Momente aber auch in Komik auf. Ein überraschender Tonfall in einem unterhaltsamen Western, dem etwas mehr Grimmigkeit aber gut getan hätte.

Einen wirklich überraschenden Auftritt hatte Helmut Berger. Ausnahmsweise fütterte er die Klatschpresse mal nicht mit Trash-Auftritten und dem Skandälchen. Die einstige Visconti-Muse, die für die große Leinwand längst verloren geglaubt war, beschert als alternder Modedesigner Yves Saint Laurent der Biographie "Saint Laurent" die eindrücklichsten, intensiv von Melancholie umwehten Momente. Dennoch fragt man sich, ob das Leben des Designers überhaupt so interessant war, dass es nach dem kürzlich gestarteten "Yves Saint Laurent" nun bereits in einem zweiten Spielfilm abgehandelt werden muss. Der nicht autorisierte Film zeigt vielleicht ein bisschen mehr Exzess, mehr Drogen, mehr Sex. Sonderlich viel zu sagen hat Regisseur Bertrand Bonello aber nicht.

Auf deutsche Gesichter stößt man auf diesem Cannes-Jahrgang nur vereinzelt. Sabine Timoteo und André Hennicke etwa streuen ein paar deutsche Dialogzeilen in Alice Rohrwachers "Le Meraviglie" - eine Milieustudie aus den ärmlichen Verhältnissen im ländlichen Italien. Trotz mangelnder Präsenz in Cannes war Kulturstaatsministerin Monika Grütters bester Dinge. "Es war bislang das erfolgreichste deutsche Filmjahr", sagte sie beim Empfang von German Films am Strand des Luxushotels Martinez. Sie sprach von 42 Prozent Marktanteil deutscher Filme an deutschen Kinokassen im laufenden Jahr und von 214 Auszeichnungen auf weltweiten Festivals im vergangenen. Nach drei Minuten beendete sie dann die kurze Rede in Anlehnung an ein Zitat von Tommy Lee Jones mit der wohl wichtigsten Frage auf Veranstaltungen wie dieser: "Where is my drink?" In Cannes kann man sich schließlich auch vortrefflich feiern - selbst wenn sich die Festivalbeteiligung in Grenzen hält. Von der "Sensation des Festivals" jubelt der "Républicain Lorrain", wohl animiert durch Lokalpatriotismus, auch andere französische Medien sind begeistert: Der französische Film "Partygirl", der auch im Saarland gedreht wurde (wir haben berichtet), ist bei seiner Premiere in Cannes sehr gut aufgenommen worden. Im Film spielt eine Forbacherin in groben Zügen ihr eigenes Leben: Angélique Litzenburger verkörpert eine Nachtclub-Hostess um die 60, die ihres Berufs müde ist. Als sie einen Heiratsantrag bekommt, scheint der Absprung möglich.

Regisseur von "Partygirl" ist Samuel Theis, der Sohn der Hauptdarstellerin. Er hat den Film zusammen mit Claire Burger und Marie Amachoukeli inszeniert - das Trio hatte zuvor zusammen den halbstündigen Film "Forbach" gedreht. Nun hat "Partygirl" die renommierte Nebenreihe "Un certain regard" eröffnet und wurde von internationalen Blättern lobend erwähnt. Die Branchenbibel "Variety" nennt den Film "gelungen, wenn auch nicht außergewöhnlich" und prophezeit dem Film Festival-Einladungen in aller Welt. Der "Hollywood Reporter" lobt "berührende Momente", kritisiert aber, dass die Improvisationen im Film manchmal nahe am Reality-TV lägen. Der britische "Guardian" spricht von einem "zarten, warmherzigen Porträt" und von guten Darstellern. Starttermine in Frankreich und Deutschland sind bisher noch offen, aber nach dem sehr guten Medien-Echo sollte der Film zügig einen Verleih finden.

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