Sulzbacher Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis Ein Preis als „Anlass, noch mehr zu zweifeln“

Sulzbach · Olivier Mannoni hat am Freitag in Sulzbach den diesjährigen Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis erhalten.

 Olivier Mannoni (r.) und Autor Frank Witzel in Sulzbach.

Olivier Mannoni (r.) und Autor Frank Witzel in Sulzbach.

Foto: Kerstin Krämer

Erst am Vorabend hatte man des verstorbenen Schriftstellers Ludwig Harig gedacht, tags darauf hielt Sulzbach das Andenken an einen weiteren großen literarischen Sohn der Stadt hoch: Am Freitag wurde, wie alljährlich am 7. September zum Geburtstag Eugen Helmlés (1927-2000), der nach ihm benannte Übersetzerpreis verliehen – in diesem Jahr ging er an den Franzosen Olivier Mannoni für dessen herausragende Übertragungen vom Deutschen ins Französische.

Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert und wird seit 2005 vom Saarländischen Rundfunk und der Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (Stiftung ME Saar) verliehen, seit 2010 in Kooperation mit der Stadt Sulzbach. Bei der Feierstunde in der Aula wurde Mannoni wie Helmlé als Brückenbauer zwischen Deutschland und Frankreich gewürdigt – angesichts des gefährdeten Friedens in Europa betonte SR2-Programmchefin Ricarda Wackers die Bedeutung von Übersetzern zur Aufrechterhaltung des Dialogs. Auch Mannoni selbst konstatierte eine „aktuelle Barbarei“ und befand: „Kultur ist das einzige, was uns schützen kann.“ Nach Grußworten von Bürgermeister Michael Adam und Oswald Bubel, Vorstandsvorsitzender der ME-Stiftung, hielt mit Holger Fock, 2011 selbst Helmlé-Preisträger, ein Freund Mannonis die Laudatio. Fock stellte neben der schieren Menge die Bandbreite von Mannonis Übersetzungskunst heraus.

Mannoni, Jahrgang 1960, arbeitete nach seinem Philosophiestudium an der Sorbonne als Journalist und Literaturkritiker und hat bislang rund 200 Werke übertragen. Neben Belletristik-Autoren wie Martin Suter, Zsuzsa Bánk oder Frank Witzel übersetzt er auch Philosophen, Essayisten oder Historiker; insbesondere solche, die sich mit dem Dritten Reich beschäftigen. Überdies wagte er eine Neuübersetzung von Hitlers „Mein Kampf“, die 2020 in einer kommentierten Edition erscheinen soll. Parallel ist Mannoni selbst Essayist und Biograph und schrieb etwa über Günter Grass. Seit 2012 leitet er ferner eine Schule für literarische Übersetzer in Paris, die er mitbegründet hat.

Fock lobte Mannonis umfangreiches Sprachregister und sein Stilvermögen, das ihm bei aller Genauigkeit sprachmelodisch adäquate Übertragungen ermögliche. Mannoni verkörpere den Typus des modernen Übersetzers, der zwischen den Zeilen lese und neben text­immanenten Aspekten auch den Kontext eines Werkes berücksichtige: Seine Übersetzungen seien keine Aneignung, sondern Anerkennung des anderen. „Übersetzung ist Zweifel, ist Vermittlung“ formulierte Mannoni sein Selbstverständnis: „Dieser Preis ist für mich Anlass, noch mehr zu zweifeln.“

Die Jury des Helmlé-Übersetzerpreises 2018 war rein weiblich besetzt: In ihrem Urteil einstimmig waren die Berliner Journalistin Susanne von Schenck; Colette Gravier, Literaturbeauftragte der Direction Régionale des Affaires Culturelles (DRAC) der Region Grand Est in Metz, und SR-Literaturredakteurin Tilla Fuchs. Mit Fuchs plauderte Mannoni über sein enges Verhältnis zu Deutschland, sein unbedingtes Verstehen-Wollen und seine „intellektuelle Erregung“ beim Übersetzen großer Literatur. Dazu zählt auch Frank Witzels Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“, 2015 mit dem Deutschen Buchpreis prämiert. Witzel las im Wechsel mit Mannoni aus seinem Buch – im Vergleich von Original und Übertragung ein erhellender Blick in die Praxis.

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