Helft Putin!

Am Freitag jährt sich zum ersten Mal der Beginn der Euromaidan-Proteste in Kiew. Jener Proteste, die über den Sturz des ukrainischen Präsidenten, die russische Annexion der Krim und den blutigen Krieg in der Ostukra den Beginn einer Kette von Ereignissen markieren, die Europa tiefer gespalten hat als je zuvor seit dem Fall der Berliner Mauer.Rein äußerlich betrachtet hat das zurückliegende Treffen der mächtigsten Staatschefs der Welt auf dem G20-Gipfel in Australien wenig Bewegung in den Konflikt zwischen Russland und dem Westen gebracht.

Wiederholt hat Kanzlerin Angela Merkel lange mit Präsident Wladimir Putin gesprochen, ohne dass dies zu greifbaren Ergebnissen führte. "Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen" klingt wie eine Durchhalteparole, die Situation erscheint festgefahrener denn je. Jüngste Ausweisungen deutscher und polnischer Diplomaten aus Moskau erscheinen gar als Anzeichen sich vertiefender Gräben.

Doch die Dinge sind im Fluss. Deutschlands Fernsehzuschauer konnten am Sonntag Abend bei Günther Jauch ein Interview mit Wladimir Putin sehen, in dem die Körpersprache des Kremlchefs deutlich weniger Selbstsicherheit ausstrahlte als bei vergangenen Anlässen. Aufgezeichnet wurde das Interview noch vor Putins Abflug nach Australien. Der Verlauf des dortigen Gipfels, wo er auf dem Gruppenfoto am äußersten Rand zu sehen ist, dürfte kaum dazu beigetragen haben, Putins Laune zu heben. Seine verfrühte Abreise kann als Zeichen der Kränkung verstanden werden.

Die Wirtschaftssanktionen des Westens, das kann in Russland niemand mehr bestreiten, zeigen Wirkung. Am deutlichsten sichtbar und spürbar für die Bevölkerung sind sie im Kursverfall des Rubels und folgenden Preissteigerungen. Diese spürbaren Folgen bedeuten aber nicht, dass das Ziel der Sanktionen erreicht wird. Auch der vom amerikanischen Wirtschaftsmagazin "Forbes" erneut zum mächtigsten Mann der Welt gekürte Wladimir Putin ist nicht so mächtig, dass er mit einem Fingerschnipsen den Krieg in der Ostukraine beenden könnte. Erwartungen wurden geweckt, die Entwicklung hat längst eine Eigendynamik angenommen.

Ob er Fehler gemacht habe, wollte Hubert Seipel im ARD-Interview von Putin wissen. Dieser antwortete philosophisch, jeder Mensch mache Fehler, es komme aber darauf an, nach Lösungen zu suchen. Als intelligenter Mensch muss Putin sehen, dass er mit seinem Griff nach der Ostukraine gewaltige Fehler gemacht hat. Paradoxerweise muss aber der Westen Putin gerade im Moment von dessen Schwäche helfen, einen gesichtswahrenden Ausweg zu finden. Denn ohne Putin, soviel ist sicher, ist eine Lösung der Krise erst recht nicht denkbar.

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