Heimat, was bist Du?

Saarbrücken · Was ist Heimat, was bewirkt Heimatgefühl? Und was hat Architektur damit zu tun? Ein prominent besetztes Podium hat dieses weite Feld der Fragen in Saarbrücken beackert.

Heimat? Das Wort bleibt für viele ein schwieriger, belasteter Begriff, an dem man sich reibt. So auch bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstag im Saarbrücker VHS-Zentrum, zu der die Stiftung Baukultur Saar eingeladen hatte. Es war der Beginn einer Veranstaltungsreihe zum Thema "Heimat", die den Begriff in den Zusammenhang mit Architektur und Baukultur stellen will: Was kann Städtebau leisten, um den Menschen ein Gefühl des Heimischen zu vermitteln? Wie soll umgegangen werden mit Architektur der Vergangenheit?

Diese Fragen will die Reihe behandeln, deren erster Termin sehr gut besucht war - wohl nicht zuletzt einer sehr interessanten Besetzung wegen: mit Dieter Bartetzko, Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Architekturkritiker. Mit Schriftsteller Feridun Zaimoglu, der die Vorlage zum Film "Kanak Attack" geschrieben hat. Und mit Gert Heidenreich, Journalist, Autor und sonorstimmiger Hörbuch-Einleser, der mit Edgar Reitz das Drehbuch zu dessen filmischem Triumph "Die andere Heimat" geschrieben hat. "Edgar Reitz hat mit seinen Filmen diesen Begriff erst wieder vom Hautgout des Nationalsozialismus' befreit", sagte Heidenreich auf die Frage von Moderatorin Barbara Renno nach seinem Heimatbegriff. Er selbst habe so etwas wie Heimatgefühle nie gekannt, aber etwas in dieser Art erstmals gespürt, als er auf dem Münchener Stachus gegen die Notstandsgesetze demonstrierte. "Ich fühlte den Asphalt durch meine Jeans und wusste, dass ich da hin gehöre." Ähnliches erzählte Bartetzko: Als er in Frankfurt auf einen Auftritt von Rudi Dutschke wartete, da spürte er ein wohliges Gefühl der Heimat. Ko-Moderator Klaas Huizing kommentierte diese Erinnerungen charmant: "Ja, die 68er, die haben es besser."

Mit 49 ist Zeimoglu zu jung, um Alt-68er zu sein, aber er erinnerte sich an seine Zeiten in der Hausbesetzerszene, an das "Gefühl, Teil einer wunderbaren Horde zu sein". Viele Menschen verbänden den Begriff Heimat ja mit Idylle und Ruhe, er nicht - für ihn ist Heimat "Unruhe, Bewegung". Heidenreich stieß ins selbe Horn: Dass der Begriff Heimat immer mit Ländlichkeit und Idylle verbunden sei, "ist die schlimme Kehrseite". (Wie diese These zu Heidenreichs Wohnorten in der Normandie und am Starnberger See passt, wurde nicht erörtert.)

Was nun kann Architektur leisten, damit man sich heimisch fühlt? Altes rekonstruieren? Eher nicht, findet Bartetzko. Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses etwa ist für ihn eine schreckliche Idee. Andererseits: In Frankfurt, das für ihn unter einer "Abbruch-Seuche" leidet und an der Idee, alle zwei Jahre "alles wegzuwerfen", habe man einen Teil der historischen Altstadt rekonstruiert und mit zeitgenössischer Architektur nebenan aufs Schönste verbunden. So erfülle Architektur ihre Aufgabe, "Inseln im Strom der Zeit" zu schaffen. Heidenreich sah das anders - das einzige Mal an dem Abend, an dem man sich nicht einig war. Für ihn ist dieses Projekt "erschreckend, diese Rekonstruktion des Verlorenen kann ja keine Heimat darstellen".

Zeimoglu, der in Kiel lebt, "für 350 Euro warm in einer 80-Quadratmeterwohnung", berichtete von der Gentrifizierung "seines" Viertels: "Spießer mit Angeberautos" machten sich breit und verdrängten das "linkskulturelle Milieu. Vieles wird totgemacht." Was tun? Für Bartezko würden mehr gesetzliche Vorgaben und mehr Gestaltungssatzungen helfen, auch "wenn das verpönt ist, weil wir ja so demokratisch sind". Auch fehle es an mutigen Architekten. Sein Fazit: "Die Architektenverbände müssen sich auf die Hinterbeine stellen."

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