Harter Streit um EU-Stabilitätspakt

Berlin/Brüssel · Der Vorstoß von SPD-Chef Sigmar Gabriel, EU-Krisenländern mehr Zeit für Reformen zu geben, hat eine heftige Debatte ausgelöst. Zudem wird hinter den Kulissen im EU-Parlament um künftige Posten gepokert.

Der Vorstoß von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ), EU-Krisenländern mehr Luft für Reformen zu geben, stößt in der Union und in Kreisen der Wirtschaft auf Kritik. "Deutschland muss darauf pochen, dass alle Staaten der Eurozone am Stabilitätskurs festhalten - im Zweifel auch gegen Widerstände", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der "Passauer Neuen Presse". Eine Aufweichung der Stabilitätskriterien sei schon 2003 der falsche Weg gewesen. "Mit den Folgen dieser Fehlentscheidung haben wir heute noch zu kämpfen. Daher ist es mir völlig unverständlich, dass nun erneut danach gerufen wird, die europäischen Haushaltsregeln aufzuweichen."

Gabriel hatte Anfang der Woche bei einem Besuch in Frankreich erklärt, dass EU-Krisenländern mehr Zeit zum Abbau ihres Defizits eingeräumt werden könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) wies dieses Ansinnen zurück. Am EU-Stabilitätspakt werde nicht gerüttelt, stellte sie in Berlin klar.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer erneuten Aufweichung des Stabilitätspaktes. Solche Lockerungen hätten die Staatsschulden- und Finanzkrise maßgeblich mit verursacht, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. "Reformen liegen im ureigensten Interesse jedes einzelnen Landes. Sie schlagen sich mittlerweile in fast allen EU-Staaten auch in Wachstum und Steuermehreinnahmen nieder." Als Vorwand für nachlassende Sparanstrengungen dürfe die Reformpolitik nicht herhalten.

Unterdessen wird der Streit um den Stabilitätspakt auch ein Streit um Personalien. Martin Schulz geht in die Offensive. Der gegen Christdemokrat Jean-Claude Juncker unterlegene Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten bei der Europawahl meldete jetzt Ansprüche auf einen der Führungs-posten im Personalpaket an und forderte eine Abkehr vom Sparkurs . "Dass ich in dem Paket eine Rolle spielen werde als Sozialdemokrat, das ist klar", sagte der SPD-Mann nach seiner Wahl zum Fraktionschef der Sozialdemokraten (S&D) im Europaparlament. Als Chef der zweitgrößten Fraktion im neuen Parlament führt er die Verhandlungen mit den siegreichen Christdemokraten über die Zustimmung der S&D zu einer Kür Jean-Claude Junckers zum Kommissionspräsidenten. Die Bedingungen sind klar: Schulz will im Gegenzug einen Führungsjob für sich und eine Aufweichung des Stabilitätspaktes. Seine Fraktion werde nur einen Kommissionspräsidenten unterstützen, der bereit sei "die Sparpolitik zu beenden" und "den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibler auszulegen", sagte Schulz.

Einen entsprechenden Vorstoß wollen Italien und Frankreich beim EU-Gipfel kommende Woche auf die Agenda setzen. Paris und Rom beklagen schon seit Längerem, der strenge Sparkurs schnüre Wachstum und wirtschaftliche Erholung ab. Bei dem Treffen wollen die Staats- und Regierungschefs sich darauf einigen, welchen Kandidaten sie dem Parlament als Kommissionspräsident vorschlagen. Auch die Ämter des Ratspräsidenten, des Parlamentspräsidenten und des hohen Beauftragten für Außenpolitik müssen neu besetzt werden.

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