Handwerk ohne Handwerker

Saarbrücken · Die Ausbildung im Handwerk ist in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen. Um gegenzusteuern, will die Handwerkskammer jetzt mehr Jugendliche für die duale Ausbildung begeistern.

 Das Handwerk bleibt nach Ansicht der Kammer ein verlässlicher Arbeitgeber. Foto: IG Bau

Das Handwerk bleibt nach Ansicht der Kammer ein verlässlicher Arbeitgeber. Foto: IG Bau

Foto: IG Bau

7487 Auszubildende zählte das saarländische Handwerk im Jahr 2003. In diesem Jahr waren es nur noch 5803 - 22 Prozent weniger. "Eine dramatische Entwicklung", konstatiert Handwerkskammer-Präsident Bernd Wegner . Gleichzeitig sei die Zahl der Schüler, die sich für Abitur und Studium entscheiden, in den vergangenen acht Jahren um 21 Prozent angestiegen.

Zahlen, die Wegner als Beleg einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung präsentiert: "Wir haben das Problem, dass in unseren Schulen das Handwerk nicht vorkommt, das Abitur dagegen überschätzt wird", sagt Wegner. "Dieser Trend gefährdet das Duale Ausbildungssystem, für das wir in der Welt bekannt sind." Denn der Rückgang geht weiter: Bis 2030 sei noch einmal mit einem Minus von über 20 Prozent zu rechnen. "Dann fehlen uns nicht nur die Auszubildenden, sondern auch die Gesellen und die Meister", konstatiert der Handwerks-Präsident.

Die saarländische Handwerkskammer (HWK) will deshalb verstärkt für das Handwerk werben: "Neben der Imagekampagne gehen wir verstärkt auf Messen, besuchen Schulen und klären Lehrer auf Info-Tagen über die Chancen auf." Und um die Jugendlichen direkt zu erreichen, will die Handwerkskammer diese direkt über die sozialen Netzwerke ansprechen. "Es geht darum, das gängige Vorurteil auszuräumen, Studium sei besser als Ausbildung", meint Wegner. Denn das stimme nicht: Meister oder Techniker im Handwerk seien seltener arbeitslos als Akademiker. Und ihr Verdienst sei mit dem eines Bachelor vergleichbar, sagt Wegner. Außerdem könne die Ausbildung auch den Weg zum Studium eröffnen - dann allerdings mit einer solideren Basis.

Quasi als Beleg der Aussagen seines Präsidenten zieht HWK-Hauptgeschäftsführer Georg Brenner die Bilanz eines "insgesamt zufriedenstellenden" Jahres 2014. Für das Gesamtjahr erwarten die Handwerks-Unternehmen ein Umsatz-Plus von zwei Prozent. Und auch im kommenden Jahr soll der Umsatz mit 1,5 Prozent noch weiter wachsen. "82,4 Prozent der Betriebe erwarten eine gleichbleibende oder bessere Geschäftsentwicklung", sagt Brenner.

Bei den politischen Rahmenbedingungen sieht Brenner allerdings noch Nachholbedarf: Bei der energiepolitischen Diskussion würden Investitionen in Sanierung und Energieeffizienz noch zu sehr vernachlässigt. Hier gelte es, mehr Anreize zu setzen. Außerdem drängt das Handwerk die Politik mit einer Resolution, den EU-Angriff auf den Meistertitel mit aller Macht abzuwehren.

Meinung:

Nicht nur das Geld zählt

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Das Handwerk will mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung begeistern und macht dafür den Gehaltsvergleich auf. Doch die Aussage, Meister und Bachelor würden gleich viel verdienen, hinkt. Während der Bachelor quasi der Grundabschluss des Studiums ist, machen nur wenige im Handwerk den Meister. Das Handwerk braucht aber auch viele Gesellen. Und vor allem die gilt es zu werben. Da zählt nicht nur das Gehalt, sondern all das, was Handwerk ausmacht. Das Arbeiten am Werkstück, die direkte praktische Umsetzung und das sofortige Erfolgserlebnis. Auch damit lässt sich sicher manch unschlüssiger Schüler locken.

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