Handel will Plastiktüten verbannen

Berlin/Saarbrücken · Im saarländischen Einzelhandel überwiegt die Zuversicht, dass Verbraucher dazu bereit sind, zum Schutz der Umwelt für Plastiktüten zu bezahlen. Ab April soll dies in immer mehr Geschäften der Fall sein.

Müllberge sind nicht nur dem Bundesumweltministerium ein Dorn im Auge, sondern inzwischen auch dem Handel. Dieser kommt jetzt mit einer freiwilligen Vereinbarung einer Drohung des Ministeriums zuvor, notfalls per Gesetz die Nutzung von Plastiktüten einzuschränken. Der Handel beginnt nun ab April bundesweit damit, für zunächst 60 Prozent der Tüten Geld zu verlangen, innerhalb von zwei Jahren soll dies für 80 Prozent gelten.

Wie viel die Kunden für eine Tüte bezahlen müssen, soll den Händlern vor Ort überlassen bleiben. Zudem soll es Ausnahmen geben, etwa für die Verpackung von Früchten mit "Hemdchenbeutel" an der Früchtetheke, sagte gestern der Geschäftsführer und Pressesprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Kai Falk, unserer Zeitung. In manchen Bereichen sieht er noch erhöhten Diskussionsbedarf, etwa im Textilhandel . Für diesen bedeute es eine große Umstellung, Kunden eine Tüte in die Hand zu drücken, für die er bezahlen muss. Generell sehe aber auch der Handel ein, dass etwas getan werden muss, weil jeder Einwohner Deutschlands heute jährlich im Schnitt 71 Tüten verbrauche. Nach einer EU-Richtlinie dürfen es 2025 nur noch 40 Tüten sein.

An der Saar reagiert man mit gemischten Gefühlen auf die Pläne im Handel. Axel Ulmcke, stellvertretender Vorsitzender des Gewerbevereins in Homburg, denkt drastisch. Er begrüßt die Einführung einer Gebühr auf Plastiktüten, denn "die Gesellschaft zahlt nicht von alleine. Man muss sie zwingen." Die Müllberge würden einfach zu groß. "Ich begrüße es sehr, mit möglichst wenig Plastiktüten auszukommen. Es gibt zu viele Menschen, die großzügig damit umgehen. Ich versuche auch in meinem Geschäft, Plastiktüten möglichst zu reduzieren."

Nico Ganster, erster Vorsitzender des Vereins für Handel und Gewerbe St. Ingbert, glaubt schon, "dass die Kunden ein Umweltbewusstsein haben und bereit sind, einige Cent für Tüten zu zahlen". Er appelliert an Verbraucher, Tüten mehrfach zu verwenden. Schwierigkeiten, Geld für Tüten zu verlangen, sieht allerdings auch Ganster im Textilhandel . Eine Lösung sei, auf Papiertüten umzustellen. Oder der Handel übernimmt in diesem Bereich die Kosten für die Tüte selbst. Diese Praxis hält auch Max Schoenberg für die wohl praktikabelste. Er ist Vorsitzender des Vereins für Handel und Gewerbe in Saarbrücken. "Es gibt zur Zeit noch keine zufriedenstellende Lösung", sagt er. Viele Handelshäuser verlangen schon Geld für Tüten: von Tchibo über Aldi bis hin zu Media-Markt/Saturn und Edeka. Nina Schneider, Pressesprecherin von Edeka Südwest mit vielen Märkten an der Saar, verweist auf kostenpflichtige Tragetaschen aus verschiedenen, nachhaltigen Materialien: von Baumwolltragetaschen bis zu speziellen Taschen, die aus recycelten Pet-Flaschen hergestellt werden. Schneider sagt: "Mit Tüten wird immer sparsamer umgegangen, denn viele verwenden Mehrwegtaschen oder -behältnisse oder sie verwenden Tüten mehrfach."

Meinung:

Zeit zum Handeln

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Es wird höchste Zeit, dass die Verbraucher und der Handel bewusster mit der Umwelt umgehen. Müllberge und der bei jedem Einkauf getätigte Griff zu neuen Plastiktüten sind keine Lösung. Doch muss man bei der Verdrängung von Plastiktüten auch an eine intelligente Umsetzung denken. So muss man nicht immer Geld kassieren, sondern kann oft auf kostenfreie Papiertüten umstellen, zumal der Kunde mit ihnen ja auch Werbung für das Geschäft macht. Schwer dürfte die Umsetzung im Bereich hochwertiger Textilien werden. Verbraucher erwarten hier vielfach, dass man die teure Ware kostenlos und geschützt nach Hause bringen kann. Hier kann der Handel die Kosten für die Tüte übernehmen. Generell ist es kein Opfer, für Tüten einige Cent zahlen. Viel besser wäre es aber, die Kunden bringen ihre Taschen mit.

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