Handcreme und Rollenwechsel

Wo ist denn die Handcreme? - fragt mein Mann. "Hast du Spülhände?", frage ich belustigt zurück. "Genau", antwortet er trocken. Das war vor gut vier Wochen, als mein Gatte nicht vornehmlich einen schicken Computer, sondern die heimische Spüle bediente

Wo ist denn die Handcreme? - fragt mein Mann. "Hast du Spülhände?", frage ich belustigt zurück. "Genau", antwortet er trocken. Das war vor gut vier Wochen, als mein Gatte nicht vornehmlich einen schicken Computer, sondern die heimische Spüle bediente. Er gehört zu den rund sieben Prozent der saarländischen Väter, die die zwei Vätermonate der 14-monatigen Elternzeit in Anspruch genommen haben. Spülen, Spielen, Kaufen, Kochen, Waschen und Windeln wechseln - so sah sein Arbeitstag aus. Während ich wieder jeden Tag mit Freude ins Büro ging, wo sich erstaunlich viele Kollegen um das Schicksal des zweifachen Vaters sorgten: Sag mal, schafft dein Mann das denn? Kommt er zurecht? Die Führungskraft managt den Haushalt, wie witzig - hahaha!

Erst hat mich die ständige Fragerei, der ironische Unterton amüsiert, manchmal auch genervt. Schließlich ist mein Gatte nicht erst seit vier Wochen Vater! Und überhaupt: Ich mache den Mutter-Job nun schon fast vier Jahre - und nie hat mich jemand gefragt, ob ich das auch schaffe!

Selbstverständlich ist meinem Liebsten seit langem bekannt, wie die Waschmaschine funktioniert. - Schließlich hat er das Ding mit in die Ehe gebracht. Und dass statt zerfledderten Zeitungen öfters auch mal aufgeschlagene Kochbücher auf dem Tisch rumliegen, zeugt von hoher Einsatzbereitschaft. Ordnung machen und halten ist ihm viel weniger ein Bedürfnis als mir. Gab es deshalb Streit um Socken auf dem Küchentisch oder Sand auf dem Sofa? Zuweilen. Fiel die - temporär - neue Rollenverteilung schwer? Hin und wieder. Doch seit jeder "seine eigenen Standards pflegt" - so unsere neue Sprachregelung -, sehen wir über geschlechtsspezifische Empfindlichkeiten leichter hinweg. So gesehen haben die "Vätermonate" unser familiäres Zusammenleben harmonisiert.

Wer die Rollen - so wie wir - von heute auf morgen neu verteilt, merkt ganz schnell, wo die eigenen Defizite liegen. Und wie sehr sich die Rollenklischees festgesetzt haben. Nicht nur im Kopf, auch im realen Leben. Dort sucht Mann meist vergebens nach einem Wickeltisch auf dem öffentlichen Männerklo. Beim Parken sind in der Regel nur Mutter-Kind-Parkplätze vorgesehen. Gehen Väter mit ihrem Nachwuchs denn nicht einkaufen? Und weil sich bei manchen die Vorstellung vom"Erziehungsurlaub", wie es früher hieß, hartnäckig hält, möchte man die Betreffenden am liebsten mal einen Tag lang mit den Bälgern zur Erholung schicken.

Väter in Elternzeit - das sollte kein Experiment einer Minderheit bleiben, sondern eine partnerschaftliche Selbstverständlichkeit sein. Denn wer die Rollen tauscht, lernt, eigene Maßstäbe zu relativieren und den anderen für das wertzuschätzen, was er gut, ja vielleicht besser kann. Dieses Einfühlungsvermögen ist eine Kompetenz, mit der man nicht nur zu Hause punkten kann.

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