Hält die Angst vor dem Euro die Schotten im Königreich?

London · Es waren die bislang schärfsten Worte der Londoner Regierung in Richtung Edinburgh. „Wenn Schottland sich von Großbritannien abwendet, dann wendet es sich auch vom britischen Pfund ab“, drohte Finanzminister George Osborne Ende der Woche.

Er warnte die Bürger im Norden der Insel vor den wirtschaftlichen Folgen einer Unabhängigkeit, die Wirklichkeit werden könnte, sollten die Menschen beim Referendum am 18. September mehrheitlich für die Trennung stimmen. Osborne machte deutlich, dass eine Währungsunion zwischen einem geschrumpften Großbritannien und einem eigenständigen Schottland "ausgeschlossen" sei.

Doch genau diesen Verbund beanspruchen die Unabhängigkeitsbefürworter in Edinburgh. Nun gerät vor allem der Vorsitzende der schottischen Regionalregierung, Alex Salmond, in die Bredouille. Das Versprechen des Separatistenführers an die Wähler beinhaltet, dass die Schotten auch als eingenständiger Staat das Pfund behalten können. Er bezeichnete Osbornes Rede in Edinburgh wütend als Bluff, um die Wähler zu verschrecken. Denn 80 Prozent der Schotten wollen das Pfund behalten, das weiß Salmond.

Die Aussagen des Schatzkanzlers kommen für ihn zu einer Unzeit. Zwar liegen in jüngsten Umfragen die Anhänger eines Verbleibs im Königreich vorne, aber ihr Vorsprung schmilzt langsam dahin. Die Scottish National Party (SNP) sieht ihre Chance gekommen, da will sie nicht mit dem größten Schwachpunkt ihres Projekts, der leidigen Währungsfrage, konfrontiert werden. Doch London scheint es mit der Drohung ernst zu meinen. Britische Steuerzahler sollten nicht die Währung eines "neuen, fremden Landes" unterstützen, meint Osborne. Auch lehnt London die Risikoteilung ab, die mit der Währungsunion einhergeht. Londoner Banken würden dann eben nicht als Retter in letzter Not für die schottischen Geldhäuser eintreten.

Als Alternative kommt für Schottland nur der Euro infrage. Schottland wäre als neuer EU-Mitgliedsstaat ohnehin verpflichtet, der Eurozone beizutreten, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen. Dies legen die europäischen Verträge fest. Allerdings ist der EU-Beitritt eines eigenständigen Schottlands kein Selbstläufer. Das Land müsste wie alle anderen die Mitgliedschaft erst neu beantragen. Auch wenn Alex Salmond einen "reibungslosen Übergang in die EU" verspricht, könnte der Prozess bis zu zehn Jahre dauern, sagen Experten. Neben der Pflicht eines autonomen Schottlands, die Konvergenzkriterien aus Brüssel zu erfüllen, müssten alle jetzigen EU-Mitglieder der Erweiterung zustimmen. Das bedeutet, dass London der EU-Aufnahme eines abtrünnigen Bruders seinen Segen geben müsste.

Während Osborne nun die Peitsche herausholt, nutzt der britische Premierminister David Cameron bislang das Zuckerbrot, um die Schotten versöhnlich zu stimmen. Er appellierte in der vergangenen Woche eindringlich an alle Bürger des Vereinigten Königreichs, ihre schottischen Freunde und Verwandten zu einem Nein bei der Abstimmung zu bewegen. Es ist anzunehmen, dass die Währungspeitsche besser funktioniert als dieser Appell. Denn der Euro ist in Schottland so unpopulär wie im Rest des Königreichs. Die Angst vor ihm könnte größer sein als der Wunsch nach Selbstständigkeit.

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