Gurlitts Matisse ist Raubkunst

München/Berlin · Jetzt ist es offiziell: Die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt ist nach Einschätzung der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ tatsächlich Raubkunst. Aber wann die Familie das Bild aus den 20er Jahren zurückbekommt, ist völlig unklar. Warum?

Eine Überraschung ist es nicht, was die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" jetzt über das Bild "Sitzende Frau" von Henri Matisse sagt: Das Gemälde, das der Sammlung von Cornelius Gurlitt ein Gesicht gab, wurde einst von den Nationalsozialisten geraubt. Rechtmäßiger Besitzer ist die Familie Rosenberg. Die Arbeit der Taskforce an diesem Bild ist damit beendet. Allein diese Erkenntnis bringt den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg derzeit nicht viel. Seit dem Tod Gurlitts am 6. Mai in München gibt es nämlich niemanden, der wirklich für die millionenschwere Sammlung zuständig ist.

Das Kunstmuseum Bern, das Gurlitt in seinem Testament kurz vor seinem Tod als Alleinerben eingesetzt hat, hat noch immer nicht entschieden, ob es die Sammlung - und alle damit verbundenen Verpflichtungen - haben will. "Anfang Juli wird es die nächste Information geben", sagt eine Museumssprecherin gestern knapp.

Die Taskforce will ihr Gutachten über die "Sitzende Frau" dem Amtsgericht München als zuständigem Nachlassgericht zukommen lassen, wie die Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel sagt. Es soll dann "im Anschluss Grundlage für die Entscheidung über eine Restitution an die Erben von Paul Rosenberg sein".

Diese endgültige Entscheidung liege ausschließlich in der Hand von Gurlitts Erben , betont sie und erklärt, dass Gurlitt, der Sohn von Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, sich bereiterklärt hatte, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen: Das heißt, dass er von den Nazis geraubte Bilder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben wollte. "Diese Verpflichtung bindet auch seine Erben ", sagt Berggreen-Merkel.

Doch das alles kann dauern. Dabei sah es noch im März so aus, als seien Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg , eine New Yorker Anwältin, und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, endlich am Ziel. Dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nazis geraubt, befand sich das Bild einst im Besitz von Hermann Göring , bevor es in die Sammlung Gurlitt gelangte. Nach langem Kampf standen die Enkelinnen kurz vor der Übergabe des Bildes.

Eigentlich sei alles geklärt, sagte Gurlitts damaliger Sprecher Stephan Holzinger Ende März. Es gehe nur noch um die formelle Einigung, die eigentlich spätestens Anfang April medienwirksam über die Bühne gebracht werden sollte. Doch dazu kam es nicht, weil noch jemand kurzfristig Anspruch auf das Bild erhob und die Übergabe dann abgesagt werden musste.

Dieser Anspruch dürfte nach der Veröffentlichung der Taskforce-Ergebnisse weitgehend hinfällig sein, ebenso wohl auch die geplante Vereinbarung mit Rosenbergs Enkelinnen. Für sie und für alle anderen, die möglicherweise Anspruch auf Bilder aus Gurlitts Kunstsammlung haben, gilt: Warten auf Bern.

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