Griechenland erneut unter Druck

Brüssel. Gesucht wird ein Plan B. Denn die Zweifel an einer Sanierung Griechenlands wachsen. Auch wenn am Freitag Athen sowie die Unterhändler der privaten Gläubiger weiter um eine Einigung beim Schuldenschnitt rangen, wird doch immer klarer, dass auch ein Durchbruch noch keine Lösung bringen würde

Brüssel. Gesucht wird ein Plan B. Denn die Zweifel an einer Sanierung Griechenlands wachsen. Auch wenn am Freitag Athen sowie die Unterhändler der privaten Gläubiger weiter um eine Einigung beim Schuldenschnitt rangen, wird doch immer klarer, dass auch ein Durchbruch noch keine Lösung bringen würde. Zum einen müssen die fast 400 Organisationen, Geldinstitute und Versicherungen, für die der Internationale Bankenverband IIF spricht, einzeln den Abmachungen zustimmen. Zum anderen würde der erhoffte Nachlass Griechenlands Schulden auch nur um 100 Milliarden von derzeit 360 auf 260 Milliarden senken.Dass dies zu wenig ist, weiß man nicht nur in Brüssel, sondern auch in den Hauptstädten. Täglich erhöht sich das Handelsbilanzdefizit Athens um 75 Millionen Euro. Die Wirtschaftsbasis ist zu schwach, um in einem Währungsverbund die Exporte billiger zu machen, da es keine Möglichkeit zur Abwertung gibt. Selbst EU-Währungskommissar Olli Rehn räumte beim Wirtschaftsforum in Davos ein, dass man "wahrscheinlich mehr Geld benötigen" werde - "nichts Dramatisches", fügte er hinzu. Es könne um zwölf bis 15 Milliarden gehen, um die man das zweite Griechenland-Hilfspaket von bisher 130 Milliarden aufstocken müsse. Der Grund: "Die Regierung strengt sich zwar an, doch die Strukturreformen kommen zu langsam voran", beschreibt Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker die Lage. Denkbar wäre eine Ausdehnung des Schuldenschnitts auf die gewaltigen griechischen Schuldscheine, die die Europäische Zentralbank erworben hat. Das würde teuer, auch für Deutschland. Zum ersten Mal müsste Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Steuergelder abschreiben.

Bislang ist die Bundesregierung bei der Sanierungsaktion nämlich gut weggekommen. Jene 73 Milliarden, die aus dem ersten 110-Milliarden-Paket für Athen bereits abgeflossen sind, wurden lediglich abgesichert. Auch die Mittel des 440-Milliarden-Euro schweren Rettungsschirms, von denen bislang 43,5 Milliarden ausgezahlt wurden, kosten Berlin keinen Cent. Lediglich für den künftigen dauerhaften Krisenmechanismus (ESM) über 500 Milliarden muss Deutschland zahlen: Rund 22 Milliarden beträgt der Anteil am Kapitalstock, exakt 27,15 Prozent.

"Deutschland leistet wunderbare Arbeit zum Schutz der Euro-Zone", lobte denn auch am Freitag der finnische Europaminister Alexander Stubb das Engagement Berlins und stellte sich zugleich hinter das strikte Nein der Bundeskanzlerin, die eine Ausweitung des ESM ablehnt. Dennoch verdichten sich in Brüssel Hinweise, dass Angela Merkel zumindest auf lange Sicht auch eine Pleite Griechenlands einkalkuliert. "Wenn die Euro-Zone stabilisiert ist, muss eine Entscheidung über die Zukunft Griechenlands getroffen werden", heißt es in Regierungskreisen. Also erst den Vertrag über die Stabilitätsunion und den ESM abschließen, die Eigenkapitalbasis der Banken vergrößern, dann Italien sanieren, dann über Athen richten.

Der Schritt, das weiß man, ist riskant, weil Griechenland im Falle eines Ausstiegs aus dem Euro seine eigene Währung massiv abwerten und allen bisherigen Gläubigern Verluste in existenzbedrohender Höhe bescheren würde. An den Finanzmärkten rechnen Experten mit einem heillosen Durcheinander, weil "sofort die Spekulation einsetzt, wer als Nächstes den Euro-Raum verlassen muss", umreißt ein hoher EU-Diplomat die Gefahren.

Zumindest in Portugal würde vermutlich ein Ansturm auf die Banken einsetzen. Denn Lissabon ringt in den letzten Tagen ums Überleben. "Es gibt keine Pleite ohne Ansteckung", formulierte Juncker jetzt. Den Staats- und Regierungschefs bleibt, so scheint es, kaum eine Chance, als Griechenland zu retten. Koste es, was es wolle. "Es gibt keine Pleite ohne Ansteckung."

Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker

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