Grenzen überwinden, Gefühle zulassen

Saarbrücken · Im Rahmen des Festivals „Schultheater der Länder“, das bis 20. September in Saarbrücken stattfindet (wir berichteten), lernen die jungen Schauspieler in Workshops mit Methoden aus Theater, Musik und Tanz das übergreifende Thema „Grenzgänge“ zu erforschen.

 Die Theatergruppe von Reinhold Rolser auf der Bühne des Schlosskellers. Foto: Kerstin Krämer

Die Theatergruppe von Reinhold Rolser auf der Bühne des Schlosskellers. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Speeddating! Binnen kurzer Zeit so viele Leute wie möglich begrüßen, lautet der Auftrag an die Gruppe. Auf der Bühne des Saarbrücker Schlosskellers entsteht ein hektisches Gerenne, fieberhaft klatschen fremde Hände einander ab. Doch Dozent Reinhold Rolser, Schauspieler am Theater Überzwerg , ist noch nicht zufrieden: "Ich glaube, das könnt Ihr doppelt so schnell!" Nun bilden sich Knoten, die Jugendlichen stolpern sich gegenseitig über die Füße, man rempelt einander an. Peinlich? Ach was. "Unterdrückt keine Impulse!", ruft Rolser, der, barfuß auf einem Stuhl stehend, den Pulk vom Zuschauerraum aus dirigiert. "Traut Euch! Lasst Emotionen zu!"

Denn genau darum dreht es sich bei diesem Schülerworkshop im Rahmen des 30. Schultheaters der Länder: um Gefühle auf der Bühne. Rolser ist einer von 20 Dozenten, die am Montag ganztägig im Einsatz sind: Aus allen Bundesländern sind Jugendliche angereist und bevölkern diverse Räume in Schloss und VHS-Zentrum, um bei Workshops mit Methoden aus Theater, Musik und Tanz das übergreifende Thema "Grenzgänge" zu erforschen. Es geht etwa um Grenzerfahrungen zwischen Raum und Zeit, zwischen Entwurzelung und Integration, zwischen Text und Figur, zwischen Tier und Mensch. Oder, wie bei Rolser, zwischen Bühne und Realität. Der Schauspieler setzt auf stete Motivation und gruppendynamische Techniken des Bewegungstheaters, was seine bunt gemischte Truppe ganz schön auf Trab hält. Die Jugendlichen sollen Emotionen wahrnehmen und darstellen, dazu gibt Rolser bestimmte Stimmungen oder Situationen vor - Freude, unterdrückte Wut, offene Aggression, Zurückhaltung. Oder er spielt wechselnde Musik ein, der es körperlich nachzuspüren gilt. Zwischendurch versichert er sich rück: "Geht das in die Richtung, die Ihr Euch vorgestellt habt?" Die Jugendlichen nicken - verschwitzt, aber glücklich.

Noch eine Spur krasser fordert die freie Regisseurin und Theaterpädagogin Ela Otto ihre Gruppe. Dass sie nur halb so viele Teilnehmer hat, liegt wohl am Thema, das eine gewisse Selbstüberwindung und Vertrauen erfordert: Bei Ela Ottos "Blindem Theater" müssen die Teilnehmer sich mit geschlossenen Augen auf ihre übrigen Sinnesorgane beschränken. Gar nicht so einfach, sich blind zu orientieren, Raumbegrenzungen oder menschliche "Hindernisse" durch Horchen oder Tasten ausfindig zu machen und eine Geräuschkulisse zu analysieren. Automatisch werden die Bewegungen langsamer und Gesten präziser, man kommuniziert ausführlicher. Der Blindflug fällt nicht allen leicht, aber "genau darum geht's im Theater", erläutert Otto: "Dinge passieren lassen, die Umwelt ausblenden, Informationen filtern und die Konzentration auf sich selbst lenken." Und, vor allem: sensibler und bewusster werden. Bei improvisierten Szenen etwa merken die Jugendlichen hier rasch, dass es oft viel klüger ist, Bündnisse einzugehen, als die vermeintlich spannendere Konfrontation zu suchen.

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