Grenzen machen ärmer

Es ist wohltuend, dass sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften vor einem Rückzug ins Nationale warnen und solchen Strömungen den Kampf ansagen. Die eigene Nabelschau in den Mittelpunkt politischen Handelns zu stellen, war noch nie erfolgreich und hat vor allem in Europa immer wieder zu Kriegen und Katastrophen geführt. Auch wirtschaftspolitisch wäre es verheerend, wenn wieder Schranken und Zollgrenzen errichtet würden, um die Welt in abgeschottete Handelszonen zu teilen. Es ist nicht nur eine akademische Erkenntnis, dass Arbeitsteilung - im Kleinen wie im Globalen - mehr bringt, als wenn jeder versucht, alles selbst zu machen. Die Talente und Ressourcen sind nun einmal ungleich verteilt.

Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg rückten die Nationen wirtschaftlich enger zusammen. Sowohl in dem Teil der Welt, der von Marktwirtschaft und Kapitalismus geprägt ist, als auch in der sozialistisch-kommunistischen Hemisphäre, wo der Warenaustausch ebenfalls arbeitsteilig organisiert wurde. Vor etwa 70 Jahren begann die Globalisierung, wie wir sie heute kennen. In ihrem Windschatten wurden erhebliche Wohlstandsgewinne erzielt. Viele Millionen Menschen können sich heute we sentlich mehr leisten als alle Generationen vor ihnen. Rezession heißt inzwischen, auf etwas zu verzichten, das unsere Großeltern nicht einmal kannten. Dieses System hat zugleich viel Ungerechtigkeit hervorgebracht, etwa Billiglöhne und teils grausame Arbeitsbedingungen. Dem kann jedoch abgeholfen werden - auch durch uns Konsumenten, die solche Praktiken nicht dulden und ihr Kaufverhalten danach ausrichten. Offene Märkte schaffen mehr Transparenz.

Genau diese Transparenz macht jenen Probleme, die auf Abschottung setzen. Doch neue (Zoll-)Schranken sind die falsche Antwort. Vielmehr können einzelne Länder im Standort-Wettbewerb nur dann bestehen, wenn sie attraktiv genug sind. Voraussetzung ist eine leistungsfähige Infrastruktur - also ein gut ausgebautes Netz an Straßen, Schienen, Flughäfen und Datenleitungen. Entscheidend ist außerdem ein verlässlicher Ordnungsrahmen - ohne zuviel Bürokratie und mit einer Justiz, die Rechte und Pflichten durchzusetzen weiß. Und nicht zuletzt kommt es auf ein Bildungssystem an, das sicherstellt, dass qualifizierte Menschen die Anforderungen eines komplexen Arbeitslebens zuverlässig erfüllen können. Wird zudem unternehmerischer Geist gefördert, sind alle Grundlagen für ein erfolgreiches Wirtschaften und ein gutes Miteinander gelegt.

Die Welt entwickelt sich rasant weiter. Wer das Neue nicht zulässt, wird abgehängt. Abschottung bewirkt genau das: Sie erinnert an jemanden, der eine Uhr stoppt in dem Glauben, damit die Zeit anhalten zu können.

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