Glosse Freie Kapazitäten

Früher hatten Menschen manchmal etwas zu tun – und manchmal nicht. Aber all diese Zeiten sind vorbei. Denn heute fragt niemand mehr: „Bist du gerade beschäftigt?“. Sondern politisch korrekt: „Hast du noch freie Kapazitäten?“ Das trägt der evolutionären Entwicklung Rechnung, dass der Mensch heute nicht mehr hauptsächlich ein verspieltes Lebewesen ist. Sondern Verwalter und Vermarkter der eigenen Arbeitskraft.

Freie Kapazitäten
Foto: picture alliance / dpa/Tobias Hase

Daher klingt die Antwort „ich habe noch freie Kapazitäten“ sinngemäß wie: „Ich habe zwar unendlich viele Aufgaben – aber da ich diese mit meinem perfektem Zeitmanagement so gut bewältige, könnte ich noch eine weitere schaffen.“ Das wirkt wesentlich besser als die oft schlichte Wahrheit: „Ich habe gerade nichts zu tun.“

Unwahr ist allerdings, dass dieser Umstand automatisch etwas mit Langeweile zu tun hat. Die Mehrheit der Manager vermutet nämlich laut einer Umfrage, dass das bei ihren Mitarbeitern das Hauptgefühl ist. Das mag zwar sein. Doch diese entsteht oft nicht, wenn der Arbeitnehmer nichts zu tun haben. Sondern er fühlt vielmehr bei sinnentleerter und fremdbestimmter Arbeit: Für Langeweile hat er durchaus noch freie Kapazitäten.

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