Gipfel ohne Volk

Er hätte wirklich eine Riesen-Chance werden können: der zweitägige IT-Gipfel der Bundesregierung in Saarbrücken. Die Stadt wird zumindest am zweiten Gipfeltag mal kurz zu einer kleinen Bundeshauptstadt. Denn wann erlebt man schon einmal zeitgleich die Kanzlerin und sechs Bundesminister an einem Ort. Doch damit beginnt schon das Problem. Denn man erlebt sie eben nicht wirklich: Der IT-Gipfel ist zur Verwunderung vieler Saarländer eine geschlossene Veranstaltung. Die rund 1000 Gäste bleiben weitgehend unter sich. Ein Webfehler der Konferenz, über den auch die acht Touren für Interessierte zu IT-Einrichtungen und zur Saar-Uni nicht hinwegtäuschen können, die zum Begleitprogramm gehören.

Mit dem Gipfel wird die Chance verpasst, ganz normale Bürger von den Chancen und der Notwendigkeit der Digitalisierung zu überzeugen. Denn diese Digitalisierung und auch eine verstärkte Automatisierung von Produktionsabläufen halten mit hohem Tempo Einzug in nahezu jedes Unternehmen, in jede Behörde, auch in Schulen und Hochschulen. Deshalb muss jetzt zumindest das Saarland - das nicht Mitveranstalter, aber Gastgeber des Gipfels ist - dafür sorgen, dass das Thema danach nicht wieder zu den elektronischen Akten gelegt wird. Gerade angesichts der hervorragenden Forschungs- und Hochschulstruktur an der Saar muss die Entwicklung nachhaltig bleiben. Schulen und Unternehmen, die im Tagesbetrieb künftig mit digitalen Techniken arbeiten, sollten mehr Tage der offenen Tür veranstalten und diese Techniken den Menschen vorstellen. Denn Angst vor der Digitalisierung und einem verstärkten Einsatz modernster Informationstechnologien braucht man eigentlich nicht zu haben. Bei vielen Menschen ist es aber so.

Schon die Kleinen nutzen im Kindergarten oder in der Schule heute ein Smartphone. Aber sie sollten nicht nur lernen, dass man damit Filme schauen oder Musik hören kann. Man kann Interesse für mehr wecken, etwa dafür, was technologisch hinter einem Smartphone steckt oder wie es gebaut ist.

Vielfach ergänzen sich künftig Mensch und Maschine in der Produktion. Das bedeutet: Viele Menschen müssen weiter qualifiziert werden, um höherwertige Arbeiten zu erledigen oder die Maschinen zu steuern. Die Digitalisierung in den Betrieben wird zu einer Bildungsoffensive führen müssen. Das hat gerade der Mittelstand noch nicht so recht verstanden.

Positiv ist, dass die Gewerkschaften die Herausforderung von Industrie 4.0 und Digitalisierung offensiv begleiten. So können sie ein Stück weit mitbestimmen, wie die Arbeitsplätze der Zukunft gestaltet werden. Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen gehen alle an. Immer mehr Menschen begreifen das.

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