Gift-Cocktail für Mama und Papa

Aufgewachsen in kleinbürgerlichem Milieu, träumt die 19-jährige Violette von einem anderen Leben. Mit ihrem Widerwillen gegen Arbeit und Verpflichtungen zieht sie das leichte Leben vor. Am Ende wird sie zur Giftmischerin. Camille Benyamina hat ein romantisch-melancholisches Buch gezeichnet.

Die Augen sind groß und dunkel, die Lippen schwellend, die Figur im kurzen Mantel vielversprechend. Violette sieht aus wie ein Vamp. Sie flirtet hemmungslos, hat mehrere Liebhaber. Dabei ist Violette eine Mogelpackung, keine Frau, sondern ein Kind, dass sich die Realität zurecht lügt, ein aufregendes, luxuriöses Leben erträumt und die Eltern aus dem Weg schaffen will - und das endgültig. Die Illustrationen der Graphic Novel "Violette Nozière - Der verruchte Engel" von Camille Benyamina (Text: Eddy Simon) erinnern an alte Walt Disney-Filme, an weichgezeichnete Pin Ups, sie haben was Schmelzendes, Romantisch-Melancholisches. Die Striche sanft, die Farben warm, mit ungesund gelblichem Anflug.

Dabei ist, was erzählt wird, wenig romantisch. Das Buch hat einen authentischen Hintergrund, es handelt von Violette Nozière, die gerade mal 19 Jahre alt, im Oktober 1934 in Paris vor Gericht stand, weil sie ihre Eltern vergiftet haben soll. Ein Anschlag, den ihre Mutter überlebte, ihr Vater aber nicht. Wie Violette vom Mädchen zur Frau und wieder zurück mutiert, ist erschreckend gut gezeichnet, ebenso ihr aufbrausendes Temperament, ihr Eigensinn, Mutwille und Hinterlist. Die Eltern kommen nicht mit ihr klar, schwanken zwischen übertriebener Nörgelei und Liebesbekundung. In einer Kneipe sieht man das Mädchen Medikamente mit einer Flasche zerkleinern. Sie mischt einen Gift- Cocktail für Mama und Papa, auf deren Erbschaft sie hofft. Violette will raus aus deren kleinbürgerlichem Mief. Sie scheint ohne Gewissen und doch schafft es Benyamina auch ihrem kindlichen, ängstlichen, hemmungslos glücklichen oder verzweifelten Ich Kontur zu geben. Der Fall der scheinbar kaltherzigen jungen Frau, brachte damals die Öffentlichkeit in Aufruhr. Camille Benyamina/Eddy Simon: Violette Nozière. Der verruchte Engel, Knesebeck, 96 S., 22 Euro.

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