Getrieben von "schöpferischer Vernunft"

Saarbrücken. Nach seinem Buch über Paul Cézanne im Jahr 2005 hat sich der Saarbrücker Kunsthistoriker Lorenz Dittmann in seinem aktuellen Werk dem Maler Henri Matisse zugewandt. Eigentlich hat der emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandes vor allem über die Farbe geforscht

Saarbrücken. Nach seinem Buch über Paul Cézanne im Jahr 2005 hat sich der Saarbrücker Kunsthistoriker Lorenz Dittmann in seinem aktuellen Werk dem Maler Henri Matisse zugewandt. Eigentlich hat der emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandes vor allem über die Farbe geforscht. Doch sein neues Buch dreht sich um die Beziehung zwischen Matisse und Henri Bergson, einem französischen Philosophen des frühen 20. Jahrhunderts.

Bergsons Disziplin war die "Lebensphilosophie", die - grob gesagt - davon ausging, dass es neben dem kalten Verstand, die aus dem Gefühl gespeiste Intuition gibt. Bergson nannte diese Verbindung "schöpferische Vernunft". Damit kommt Matisse ins Spiel. Zwar kannten sich beide nicht persönlich, doch war Matisse das Werk Bergsons geläufig, dessen Begrifflichkeit er in seinen eigenen Schriften verwendete. Die Forschung streifte diese Beziehung bislang nur flüchtig und verallgemeinernd - obwohl Matisse erst durch die Philosophie Bergson zu verstehen sei, sagt Lorenz Dittmann. Er machte sich deshalb daran, "Entsprechungen" in puncto Naturauffassung und Selbsterfahrung im Schaffen beider zu finden.

Matisse wie Bergson betonen die "Intuition", die für Dittmann ohnehin "zentrales Element der Kunst" ist. Er wollte daher Bergson so lesen wie ihn Matisse gelesen habe, anstatt eine philosophische Auseinandersetzung mit Bergson zu führen, erklärt er. Dabei entdeckte Dittmann einen Aufsatz des Philosophen von 1902, der fast zwei Jahrzehnte vor Daniel-Henry Kahnweilers Kubismus-Buch schon das für Kahnweiler diese Kunstrichtung bestimmende Verhältnis von "Schema" und "Bild" ansprach. Das alles führt er in ausführlichen Zitaten und genauen Bildbeschreibungen aus. "Zu viele fremde Stimmen" erklingen zu lassen, werfe man ihmvor. Dabei sei es ihm um "Redlichkeit" gegangen, stellt Dittmann klar. Gerade diese ausführliche wie hochinteressante Sammlung und Gegenüberstellung von Quellentexten verschafft Lesern nicht nur einen Eindruck vom Denken eines Philosophen und eines Malers, sondern bietet auch guten Anlass, über das kreative Arbeiten an sich nachzudenken. sg

Lorenz Dittmann: Matisse begegnet Bergson. Reflexionen zu Kunst und Philosophie. Böhlau-Verlag, 39,90 Euro.

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