Geschichten vom anderen Ende der Welt

Er gleicht einer Rundreise zu den entlegendsten Winkeln der Erde, der diesjährige Ophüls-Dokumentarfilm-Wettbewerb. Wir stellen sechs Filme vor, die uns von Indien über den Kilimandscharo bis in die Weiten Nord-Kanadas führen.

 Ein Frau des Bhil-Stammes: Szene aus „Kalyug“. Foto: MOP

Ein Frau des Bhil-Stammes: Szene aus „Kalyug“. Foto: MOP

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Ist der Ophüls-Dokumentarfilm-Wettbewerb ein Seismograf für das Genre, so kann man sagen: Länder- und Sprach-Grenzen spielen für junge Filmemacher keine Rolle mehr. Manch einer reiste ans andere Ende der Welt - und kam mit einer spannenden Geschichte zurück.

Zum Beispiel Clara Trischler: In "Das erste Meer" erzählt sie vom Projekt einer israelischen Friedensorganisation, das es palästinensischen Kindern in der Westbank ermöglicht, die Sperranlagen zu überwinden, um einen Tagesausflug ans Meer zu machen. Trischler zeigt, welch emotionale Wallungen ein solches Projekt hervorruft - ohne sich mit einer Seite zu verbrüdern. Israelische Zeitungen beschimpfen die Organisatoren als linke Quertreiber, Eltern verweigern ihren Kindern die Teilnahme an Projekten der "Besatzer". Mit der Nüchternheit einer Journalistin dokumentiert der Film einen Konflikt in seiner ganzen Härte und Unerbittlichkeit. (Do 17 Uhr, CS 5; Fr 12.30 Uhr, CS 2; Sa 15.45 Uhr, CS 5)

Leben schenken, um zu (über-)leben - auf diese Formel lässt sich das zynische Geschäftsprinzip bringen, von dem "Ma na sapna - a mother's dream" handelt. Valerie Gudenus hat die Schwangerschaft junger indischer Frauen begleitet, die als Leihmütter die Babys fremder Paare zur Welt bringen. Neun Monate verbringen die werdenden Mütter getrennt von eigenen Kindern, zusammengepfercht in schäbigen Klinikräumen. Die einfühlsamen Porträts zeigen Frauen, die gesellschaftliche Ächtung in Kauf nehmen, in der vagen Hoffnung, der Armut entkommen zu können. Die Kamera ist sogar dabei, als ein Kind geboren wird, zeigt den Kampf der Mutter mit ihren Gefühlen, bevor ein Paar das Baby abholt. Stille Szenen, die unter die Haut gehen. (Heute 13 Uhr, CS 5; Do 20.30 Uhr, CaZ 3)

Was sind das für Bilder! Für seinen Beitrag "Kalyug" ist auch Juri Mazumdar nach Indien gereist - allerdings in die Provinz. Fernab der Metropolen lebt der indigene Stamm der Bhil. Seine Mitglieder sind mit einem Fluch belegt - jedenfalls erklären sich die Menschen so selbst ihr Leiden. Nur wenige verstehen den jungen Dorf-Krankenpfleger, der versucht zu erklären, dass der Fluch einen Namen hat: Aids. Dieser Film ist von Kamerafrau Anke Riester grandios fotografiert. Wir sehen Gesichter, so zerfurcht wie die vertrocknete, staubige Landschaft, in der diese Menschen leben. Der Film gleitet zwischen Gegenwartsschilderung und Ausflügen in die mythischen Erzählungen der Stammesväter hin- und her, Archaik und Moderne prallen aufeinander. Ein herausragender Beitrag. (Heute 18 Uhr, Achteinhalb; Do, 12.45 Uhr, CS 2, Fr, 17.45 Uhr, CS 5)

Zwei Männer, für die Jamaika mehr bedeutet als die Verheißung von Sonne und Strand, stehen im Zentrum von "Journey to Jah": der Kölner Reggae-Musiker Gentleman und sein sizilianischer Kollege Alborosie. Letzterer wanderte schon vor Jahren auf die Karibik-Insel aus, Gentleman verbringt zumindest viel Zeit dort. Doch worin liegt der Zauber dieses Ortes, an dem "sowohl Gott als auch Satan" leben, wie es Alborosie formuliert? Ist es die Musik, der vielzitierte "spirit"? Nach dem unterhaltsam erzählten Film von Noel Dernesch und Moritz Springer, dem trotzdem etwas Straffung gut getan hätte, meint man der Antwort näher zu sein. (Do 17.30 Uhr, CS 3; Fr 20.30 Uhr, CS 2; Sa 15.30 Uhr, CS 3).

Ein paar Längen hat auch "The teachers country" von Benjamin Leers, wenngleich wir seiner Reise durch das moderne Tansania im Großen und Ganzen gerne folgen. Mit dem Sohn von Gründungspräsident Nyere besteigen wir den Kilimandscharo, blicken zwischendurch in den Alltag einer Köchin in Dar-es-Salaam und dem eines Lehrers in der Provinz. Leer zeigt ein Land mit Potenzial, beschäftigt sich aber leider mehr mit der Formulierung der Frage, warum es den Menschen kaum besser geht als früher, statt mit möglichen Antworten. (Heute 20.30 Uhr, CS 5; Do 18 Uhr, Achteinhalb; Fr 10.30 Uhr, CS 5)

Das Knirschen des Schnees und das Knattern des Presslufthammers - das ist der Sound von Andreas Horvaths Dokumentation "Earth's golden playground" über Männer, die - wie einst vor über 100 Jahren - auf eigene Faust in den Weiten Nordkanadas auf Goldsuche gehen. Wir begegnen urigen Charakteren, sehen Bilder von karger Schönheit - und doch trägt das Ganze nicht über die Zeit von fast zwei Stunden. (Do 21 Uhr, CaZ 2; Fr 12.45 Uhr, CS 5; Sa 13 Uhr, CS 5)

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