Gemeinsam lernen hilft allen

Wie recht hatte Saar-Bildungsminister Ulrich Commerçon doch mit seiner Forderung „Wir brauchen einen Bewusstseins- und Mentalitätswandel“, nachdem gestern vom Landtag einstimmig die Inklusion von behinderten Kindern an allen Regelschulen beschlossen worden war. Diese Einstimmigkeit markiert einen guten Anfang im Saarland für ein Projekt, das die Uno auf den Weg gebracht hat und dem Deutschland zustimmte.

Für alle ABC-Schützen ist eine der 162 saarländischen Grundschulen ab dem neuen Schuljahr die Regelschule, Eltern von behinderten Kindern können dennoch entscheiden, ihr Kind an einer Förderschule anzumelden. Der Umgang mit behinderten Menschen wird zur Regel, die permanente Ausgrenzung von behinderten Kindern ist Vergangenheit.

Doch ob diese neue Regelmäßigkeit, die der Gesetzgeber vorgibt, auch mit einem Bewusstseinswandel einhergeht, wie ihn der Sozialdemokrat Commerçon fordert, ist beileibe nicht sicher. Denn die Politiker, die eben noch Größe gezeigt haben, werden womöglich schon in Kürze ihr Bewusstsein am Geldbeutel orientieren. Wer bezahlt die zusätzlichen Förderlehrer, die an den Grundschulen gebraucht werden, um den behinderten Schülern einen guten Start und einen guten Bildungsweg zu ermöglichen? Wer bezahlt die Um- und Ausbauten, die neuen Unterrichtsmaterialien? Wer bezahlt die zusätzlichen Integrationshelfer? In Nordrhein-Westfalen gab es darüber hässliche Streitereien zwischen Landesregierung, Kreisen und Kommunen.

Wie wichtig professionelle Voraussetzungen für ein Gelingen des Inklusionsprojekts sind, zeigen die Pilot-Schulen im Saarland, in denen die Inklusion bereits Alltag ist. Diese haben das nötige Lehrpersonal und die nötigen Mittel bekommen, die Erfolge sind sichtbar. Wobei mit Schulerfolg nicht eine Bewertung in einer Notenskala gemeint ist. Was die Inklusion so wertvoll macht, ist die Tatsache, dass die Schüler die Chance haben, ein hohes Maß an gegenseitiger Wertschätzung zu erfahren. Gestärkt wird das soziale Bewusstsein, die Grundfeste menschlichen Zusammenlebens. Genauso wie das Selbstbewusstsein, das es erst ermöglicht, die individuellen Fähigkeiten zu entwickeln.

Für eine gute Zukunft der Inklusion sind noch zwei hohe Hürden zu überspringen: Wie lässt sich Inklusion mit dem G8-Gymnasium vereinbaren, das darauf ausgelegt ist, Schüler im Eil-Tempo der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen? Und welche Zukunft haben die Inklusionsschüler nach der Schule? In der Wirtschaft ist Inklusion keine Regel, viel zu viele Behinderte landen in Behindertenwerkstätten statt im Regelbetrieb. Hier muss der Gesetzgeber eingreifen, damit die Inklusion an Schulen keine Sackgasse bleibt.

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