Geldanleger investieren mehr in Gemeinwohl

Gütersloh · Anlegern geht es zunehmend nicht nur um Rendite. Sie wollen mit ihrem Geld auch etwas Gutes tun und stecken es in soziale Projekte. Die Summe solcher sogenannten wirkungsorientierten Investitionen hat sich in Deutschland seit 2012 auf niedrigem Niveau verdreifacht, analysiert die Bertelsmann Stiftung.

Vermögende Personen und Stiftungen investieren einer Studie zufolge neben den klassischen Aktien zunehmend auch in soziale Projekte in Deutschland. Die Geldanlagen auf Finanzprodukte, die neben einer Rendite für die Anleger auch gesellschaftlich oder ökologisch positive Wirkung versprechen, haben sich seit 2012 mehr als verdreifacht, wie aus einer gestern veröffentlichten Analyse der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Während vor vier Jahren für Anlageformen des sogenannten wirkungsorientierten Investierens 24 Millionen Euro zur Verfügung standen, wuchs der Markt bis 2015 auf rund 70 Millionen Euro.

Als "wirkungsorientiertes Investieren" werden Anlagen bezeichnet, die einen Zweck verfolgen, der gesellschaftlich oder ökologisch als sinnvoll gilt, und konkrete Projekte im eigenen Land unterstützen. In Deutschland flossen laut Studie zwischen 2013 und 2015 Gelder vor allem in deutsche Programme zur Förderung von Beschäftigung (20 Prozent), in Bildungs- (18 Prozent) und Gesundheitsprojekte (zwölf Prozent) sowie in den ökologischen Landbau oder regenerative Energien.

Das investierte Geld kommt den Angaben nach größtenteils von vermögenden Privatpersonen. Auch Stiftungen fördern zunehmend soziale Projekte und verzichten dafür zum Teil auf eine marktübliche Rendite . Für die Studie wurden 2015 bundesweit Anleger zu ihren Investitionen in den vergangenen drei Jahren befragt.

Im Vergleich zum angelsächsischen Raum, wo vor 15 Jahren die Idee des wirkungsorientierten Investierens entstand, sei der Markt in Deutschland aber noch sehr klein, hieß es weiter. So mache der Bereich weniger als ein Prozent des Gesamtvolumens des deutschen Marktes für nachhaltige Geldanlagen aus, das sich 2014 auf 52,7 Milliarden Euro belief.

Vermögensanlagen würden klassischerweise nach den Faktoren Risiko und Rendite betrachtet, sagte Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung . "Doch immer mehr Anleger möchten auch die Frage beantwortet haben: Was genau bewirkt mein Geld?" Hier müsse der Bund durch eine gute Informationspolitik und geeignete Rahmenbedingungen Anreize für Investitionen in soziale Projekte schaffen, forderte Mohn. Trotz des gut ausgebauten Sozialsystems gebe es in Deutschland Finanzierungslücken in den Bereichen Innovation, Prävention und Verbreitung guter Ideen zur Lösung von sozialen Herausforderungen.

In Großbritannien etwa stelle der Staat Anlegern Steuererleichterungen und Prämien in Aussicht, wenn sie in Sozialprojekte investieren. Der private Investor trage beim "Social impact bond" das Risiko, erklärte der Bertelsmann-Projektleiter Jake Benford. Wenn das Projekt aber ein Erfolg wird, zahle der Staat das Geld mit einer Dividende zurück. In Großbritannien gebe es etwa 25 Pilotprojekte, beispielsweise zur besseren Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt oder zur Resozialisierung von ehemaligen Strafgefangenen. Weltweit existieren den Angaben nach 50 solcher Modellprogramme.

Meinung:

Nur etwas für reiche Profis

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Sparen und dabei auch noch etwas Gutes tun, womöglich ein konkretes soziales Projekt in der Nachbarschaft unterstützen - besser kann Anlegen doch gar nicht sein. In der Tat liegt hier ein Potenzial, um angesichts knapper staatlicher Kassen für das Gemeinwohl etwas zu tun. Doch dürfte das vorerst nur etwas für professionelle institutionelle Anleger und wirklich Reiche sein, die Verluste verkraften können. Schon bei normalen, nur auf Rendite ausgerichteten Anlagen fällt es schwer, Risiken zuverlässig zu ermessen. Ungleich schwieriger ist es, bei einem Sozialprojekt zu kalkulieren, wie groß die Chancen auf wenigstens kleine Gewinne und die Gefahren des Scheiterns sind. Und nicht zu unterschätzen ist das Risiko, dass Betrüger dieses Geschäftsfeld für sich entdecken.

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