Geld allein macht nicht europäisch

Ist der Euro noch zu retten? Wer weiß das schon. Ökonomen, Banker, Politiker, auch Journalisten justieren ihre Antworten auf diese Frage fast im Stundentakt neu. Gewiss ist wohl nur, dass nichts gewiss ist, dass Rettungsschirme ins Unendliche wachsen - und mit ihnen der Unmut der Bürger über dieses für sie immer unfassbarer werdende Gebilde Europa

Ist der Euro noch zu retten? Wer weiß das schon. Ökonomen, Banker, Politiker, auch Journalisten justieren ihre Antworten auf diese Frage fast im Stundentakt neu. Gewiss ist wohl nur, dass nichts gewiss ist, dass Rettungsschirme ins Unendliche wachsen - und mit ihnen der Unmut der Bürger über dieses für sie immer unfassbarer werdende Gebilde Europa. Ganz sicher aber ist: Europa wird nicht zu retten sein, wenn es bloß ums Geld geht, die gemeinsame Währung. Wie oft aber wurde Europa, die Idee einer Staatengemeinschaft, in der jüngsten Zeit je anders diskutiert, als fiskal-, als wirtschaftspolitisch? Zu Recht hat da der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, dieser Tage darauf hingewiesen, dass man Europa endlich auch als Kultur- und Bildungsaufgabe sehen müsse.Nur, kümmert dieser Appell jemand fern der Feuilletons? Anders formuliert: Gerieten Staatspräsidenten und Regierungschefs in ein solches Dauernotstandsgipfelfieber, ginge es um die Krise der Kultureinrichtungen in Europa? Würde da irgendeiner auch nur ein Rettungsschirmchen aufspannen wollen? Nein, eher würden die Messer noch schärfer gewetzt, um noch mehr wegzuschneiden - staatenübergreifend und gesamteuropäisch.

Natürlich wäre es naiv, die derzeitige tief greifende Währungs- und Finanzkrise klein zu reden. Der Kraftstoff unserer Zeit kommt nun mal aus dem Kapital. Aber sollte das Schicksal eines gemeinsamen Europa tatsächlich nur am stabilen Euro hängen, wie man aktuell den Eindruck gewinnen muss, sollte man die europäische Idee besser sofort vergessen. Dann brauchen wir Europa nicht.

Vielleicht liegt an dieser Stelle ja auch der Denkfehler für das, was heute Europa sein will. Im Streben nach möglichst weit reichendem politischem Einfluss, nach einem Wirtschaftsraum, der sich neben China, Russland und den USA behaupten kann, wuchs und wuchs Europa. Die Eingangskontrollen zum gemeinsamen Haus aber blieben lax, jeder normale Vermieter schaut da wohl genauer hin, wen er sich neu ins Haus holt. Und die Frage, was einen neben der Aussicht auf noch bessere Geschäfte, noch üppigeres Wachstum verbindet, debattierte man lediglich am Rande. Doch müsste nicht gemeinsame Geschichte, gemeinsame Kultur, gemeinsame Traditionen, ein gemeinsames Verständnis von Werten Europa im Innersten zusammenhalten? Ein Fundament, das mit Sicherheit nicht so schnell bröckelt wie Aktien-Indizes. Wer die Kathedrale von Sevilla, den Duomo di Santa Maria Nascente in Mailand, die Notre Dame in Reims und den Kölner Dom besucht, wer Bach, Liszt, Verdi, Grieg und Schönberg hört, findet jedenfalls Dauerhafteres und Verbindenderes für Europa als eine Währung, mit der wir gerade mal seit knapp zehn Jahren zahlen. So wird die Euro-Krise dann tatsächlich eine Europa-Krise sein, wenn es uns weiterhin immer nur ums Geld geht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort