Gefahr für deutsche Kredit-Kultur

Saarbrücken. Die Finanzinstitute fürchten, dass die geplanten Basel-III-Regeln die Vergabe langfristiger Kredite erschweren werden. Die hiesige "Kultur der Langfrist-Kredite könnte auf dem Spiel stehen", warnt Heiner Löhl, Vorstandschef der Bank 1 Saar

Saarbrücken. Die Finanzinstitute fürchten, dass die geplanten Basel-III-Regeln die Vergabe langfristiger Kredite erschweren werden. Die hiesige "Kultur der Langfrist-Kredite könnte auf dem Spiel stehen", warnt Heiner Löhl, Vorstandschef der Bank 1 Saar. Der auf zehn Jahre festgelegte Baukredit oder die auf fünf Jahre angelegte Finanzierung einer Maschine eines Industriebetriebs werde dadurch "deutlich seltener", kritisierte jüngst Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Giro- und Sparkassenverbands (DSGV). Ursache der Besorgnis sind die Vorgaben für die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) der Banken, die der Basler Ausschuss für internationale Bankenaufsicht plant. Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass ab 2018 die Laufzeiten von Krediten und Anlagen stärker angeglichen werden sollen. Das heißt: Kurzfristige Kredite sollen mit kurzfristigen Anlagen abgesichert werden, und für langfristige Kredite sollen langfristige Anlagen als Sicherheit dienen. Ein extremes Missverhältnis zwischen dieser verfügbaren und erforderlichen Refinanzierung hatte in der Finanzkrise die Schieflage der Banken mitverursacht. Während außerhalb Deutschlands zur Absicherung langfristiger Kredite häufig kurzfristige Wertpapiere dienen, baut das deutsche Bankensystem - gerade bei Volksbanken und Sparkassen - auf eine Absicherung durch Spareinlagen. Zwar werden diese meist kurzfristig oder für ein paar Jahre angelegt, sie sind aber vergleichsweise sicher, weil erfahrungsgemäß nicht alle Kunden gleichzeitig kommen und ihre Ersparnisse zurückfordern. "Das Geschäft mit vielen kleinen Adressen gibt Stabilität", sagt Bernd Schaumlöffel, Leiter der Gesamtbank-Steuerung der Sparkasse Saarbrücken. Noch ist nicht klar, wie einschneidend die Basel-III-Vorschriften zur Kreditabsicherung ausfallen werden, Sparkassen und Genossenschaftsbanken lehnen aber massive Einschränkungen ab. Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), befürchtet "unabsehbare Folgen für die Realwirtschaft". Die Kreditnehmer, also Unternehmen und Verbraucher, müssten das Risiko steigender Zinsen schultern. "Die Langfrist-Kultur ist die Stärke des deutschen Bankensystems", sagt Saar-LB-Chef Thomas Christian Buchbinder. Steht sie auf der Kippe, werde die Refinanzierung des Mittelstandes eingeschränkt. Nach den Vorstellungen des DSGV soll die Liquiditätskennziffer so ausgerichtet werden, dass "eine solide Refinanzierung der Kreditinstitute gesichert ist, ohne die langfristige Finanzierungskultur in Deutschland zu gefährden". Sie zu erhalten, sei ein Beitrag zum Schutz vor Krisen. Denn "die Probleme der Kurzfristfinanzierung haben wir in den USA gesehen", sagt Christian Molitor vom Sparkassenverband Saar. Die Krise kam ins Rollen, als viele Hausbesitzer in den USA die gestiegenen Zinslasten nicht mehr aufbringen konnten. Vor Einführung der neuen Liquiditätsregeln soll es eine mehrjährige Pilotphase geben. "In dieser Zeit müssen die Regulatoren bereit sein, notwendige Änderungen vorzunehmen", fordert BVR-Vorstand Hofmann. Und er geht noch weiter: "Basel III wurde vor allem für international tätige Großbanken entworfen. Europa sollte ernsthaft prüfen, ob - ähnlich wie in den Vereinigten Staaten - regional tätige Banken die neuen Regeln nicht anwenden müssen."

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