Gas-Schatz soll Ägypten stärken

Rom/Kairo · Das neu entdeckte Gas-Feld vor der ägyptischen Mittelmeerküste löst in dem Land Euphorie aus. Bis zu 20 Jahre lang kann sich das Land von Gas-Einfuhren unabhängig machen. Die Förderung soll 2018 anlaufen.

EU-Staaten wie Italien könnten vom Erdgas-Fund im Mittelmeer profitieren Claudio Descalzi strahlte wie ein erfolgreicher Schatzsucher. Der von ihm geführte Eni-Konzern hatte eine Entdeckung historischer Dimensionen verkündet, die Rede war vom größten jemals im Mittelmeer entdeckten Gasfeld mit einem Förderpotenzial von 850 Milliarden Kubikmetern. In der italienischen Presse war gar vom "Schatz des Ali Baba" die Rede. Eni selbst interpretierte den Fund als Ereignis von "Weltbedeutung" und Italiens Premierminister Matteo Renzi gratulierte dem Konzern zu einem "außerordentlichen Ergebnis".

Eni-Geschäftsführer Descalzi hatte die Nachricht am Samstag persönlich dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi überbracht, für dessen Nation die Entdeckung weitreichende Folgen haben könnte. Der Fund des italienischen Energie-Konzerns liegt etwa 150 Kilometer von der Küste entfernt auf ägyptischem Hoheitsgebiet in etwa 4000 Meter Tiefe. Auf etwa 100 Quadratkilometern im Kalkstein befindet sich das Gasfeld.

Der Eni-Konzern, der sämtliche Förder-Lizenzen des Shourouk-Gasfelds vor Port Said in Ägypten besitzt, will die Förderung so schnell wie möglich starten. Bis 2018 könnte die Produktion anlaufen, sagte Descalzi. Doch vor allem Ägypten kann sich auf einen dauerhaften Effekt einstellen. Wie es aus Kairo hieß, sei das Land künftig nicht mehr auf Energieimporte angewiesen und könnte bis zu 20 Jahre lang von den neu entdeckten Reserven zehren. "Ägypten ist nun stärker. Die gesamte Region wird stabiler", war sich Descalzi sicher.

Insbesondere der umstrittenen und mit einer wirtschaftlichen Flaute kämpfenden Regierung um al-Sisi spielen die Energiereserven in die Karten. Der Präsident steht einem größtenteils vom Militär kontrollierten Regime vor, in dem Menschenrechte missachtet werden und die seit zwei Jahren angekündigten Parlamentswahlen auf sich warten lassen. Andererseits erkennt der Westen in Ägypten einen strategischen Partner, insbesondere im Kampf gegen den militanten Islamismus. Große Erdgasreserven können die Gewichte zugunsten Ägyptens verschieben, das nicht mehr auf Energielieferungen angewiesen sein würde. Zuletzt musste das Land aus Russland und Algerien importieren.

Im geopolitischen Karussell ist die Unabhängigkeit bei der Energieversorgung einer der wichtigsten Faktoren. Angesichts der unstabilen politischen Verhältnisse seit dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak im Jahr 2011, der Gefahr durch Terror-Gruppen im Sinai-Gebirge oder der Nähe zum gescheiterten Staat Libyen, bleiben aber auch die Unsicherheitsfaktoren zahlreich. Italien, das Gas vor allem aus Russland, zu kleineren Anteilen auch aus Algerien und Libyen importiert, ist nun an einem Anschluss an die ägyptischen Erdgasreserven interessiert. Eni-Geschäftsführer Descalzi stellte Transporte per Schiff über die Raffinerie im ägyptischen Damietta in Aussicht, da keine Leitungen nach Italien existieren. Auch andere EU-Staaten könnten künftig durch Zugriff auf das ägyptische Erdgas in ihrer Energieversorgung unabhängiger werden.

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