Gabriel wirft EU Foulspiel vor

Berlin/Saarbrücken · Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel attackiert die EU-Kommission wegen ihrer Querschüsse gegen die Ökostrom-Reform. Er hält Brüssel vor, ein Programm zur Deindustrialisierung zu betreiben. Genau das befürchtet auch die IHK Saarland.

 Das Kraftwerk Ensdorf dient Saarstahl zur Eigenstrom-Erzeugung. Foto: Ruppenthal

Das Kraftwerk Ensdorf dient Saarstahl zur Eigenstrom-Erzeugung. Foto: Ruppenthal

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) hat die EU-Kommission dazu aufgerufen, Deutschland bei der Energiewende nicht ständig neue Steine in den Weg zu legen. Brüssel versuche vor dem Hintergrund des Streits um nationale Ökostrom-Förderregeln, Deutschland in Geiselhaft zu nehmen, sagte Gabriel gestern bei einem Kongress des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Die jüngsten Einwände der Wettbewerbshüter bei der Abgabe für Strom-Selbstversorger seien "ein Revanchefoul, für das, was wir beim Thema Industrierabatte durchsetzen konnten". Wegen der Einsprüche der EU hatte die große Koalition in dieser Woche noch stark die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geändert. Morgen soll es im Bundestag beschlossen werden.

Die Kommission hatte Anfang der Woche überraschend die Bundesregierung aufgefordert, aus anderen EU-Ländern importierten Strom künftig von der Ökostrom-Umlage zu befreien. Diese Umlage wirke wie eine Zollabgabe und sei ein Handelshemmnis, das gegen EU-Verträge verstoße.

Gabriel betonte, Deutschland werde hart bleiben und eine Einmischung der Kommission verhindern: "Das dürfen wir nicht zulassen." Auch die vorerst nur bis 2017 erlaubte Befreiung bestehender Anlagen zur Eigenstrom-Versorgung von Abgaben (Bestandsschutz) müsse rasch geklärt werden. Mit Blick auf die Kritikpunkte der Kommission meinte Gabriel: "Das, was die da vorschlagen, ist ein Programm zur Deindustrialisierung."

Genau diese Befürchtungen werden auch in der Saar-Wirtschaft laut. Im Industrieland Saarland "haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren in die Eigenerzeugung von Strom investiert. Sie haben sich darauf verlassen, dass ihre Anlagen dauerhaft Bestandsschutz haben. Sollte dieser jetzt ausgehebelt werden, entwerte das nicht nur ihre Investitionen, sondern gefährde auch noch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit ", sagte IHK Hauptgeschäftsführer Volker Giersch. So hat zum Beispiel Saarstahl den VSE-Kraftwerks park in Ensdorf gepachtet, um günstigen Eigenstrom zu produzieren. Ob das sich noch lohnt, ist beim Fall des Bestandsschutzes ungewiss. Auch kämen auf die Dillinger Hütte, die in einem eigenen Gichtgas-Kraftwerk Strom erzeugt, hohe Mehrkosten zu.

VSE-Vorstand Tim Hartmann ist allerdings zuversichtlich, dass "der Bestandsschutz bleiben wird". Er ist überzeugt, "dass die Politik das Thema sehr vorsichtig angehen wird". "Schließlich ist davon nicht nur die Stahlindustrie im Saarland , sondern die gesamte deutsche Industrie betroffen." Hartmann plädiert dafür, "jetzt aktiv zu werden und bis 2016 sehr genau aufzuzeigen, welche Konsequenzen das Ende des Bestandsschutzes für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie hätte".

Der Ökostrom-Förderung droht aber noch eine neue Gefahr von anderer Seite. Am Dienstag will der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zur Förderung erneuerbarer Energien in Europa fällen, das wegweisend sein könnte. Wenn der EuGH so entscheide wie erwartet, dann "muss die Politik einen ganz neuen Ansatz suchen", sagte der Chef der halbstaatlichen Energie-Agentur Dena, Stephan Kohler, gegenüber der "Bild".

Hintergrund ist die Klage eines finnischen Windpark-Betreibers. Er liefert Strom nach Schweden, bekommt dort aber keine Förderung. Sollte der EuGH ihm Fördergelder zubilligen, könnte das letztlich zu einer Kostenexplosion auch in Deutschland führen, die Verbraucher und Wirtschaft über den Strompreis mitbezahlen müssten. Denn dann könnten auch ausländische Anbieter in den Genuss der Förderung kommen.

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