Serie Lebenswege Für seine Frau war er der liebste Mensch

St. Ingbert · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Theo Herzer.

 Theo Herzer mit seiner Frau Shirley Anfang der 2000er-Jahre in Washington: Das Paar hatte sich 1960 in den USA kennen- und lieben gelernt.

Theo Herzer mit seiner Frau Shirley Anfang der 2000er-Jahre in Washington: Das Paar hatte sich 1960 in den USA kennen- und lieben gelernt.

Foto: Familie Herzer

Theo Herzer wurde am 8. März 1933 geboren und wuchs mit zwei älteren Brüdern dort auf, wo heute Möbel Herzer ist. 1939 packte die Familie das Nötigste und floh im kleinen DKW vor dem Krieg nach Bayern. Verwandte wohnten südlich von München, wo Theo Herzer eingeschult wurde. Als die Schüsse in St. Ingbert verstummt waren, kehrten die Herzers in ihr Haus in der Heimatstadt zurück. Dort ging Theo Herzer in die Volksschule, dann aufs Gymnasium. „Am Ende des Krieges war alles turbulent. Zwei Jahre gab es gar keine Schule“, weiß Shirley Herzer aus den Erzählungen ihres verstorbenen Mannes. Später habe das Gymnasium wieder sehr streng angefangen. Einige Schüler seien, weil sie nicht lernen wollten, nach Hause geschickt worden. Theo Herzer gehörte nicht zu ihnen. „Er blieb und ist immer gut mitgekommen. Sie haben auf der Mess viel gelernt.“

Kurz vor dem Abi bekam Herzer eine Rippenfellentzündung und musste der Schule ein halbes Jahr fernbleiben. Mit Disziplin und der Hilfe von Freunden meisterte er das Abi. Zuerst habe er Ingenieur werden wollen, denn der junge Mann interessierte sich für Maschinen und Autos. Er habe sogar selbst Radios gebaut. Doch in der Krankheit habe er viel gelesen. Danach stand fest – er studiert Theologie. Sein Vater sei ein frommer Mann gewesen, der zu Hause Bibelarbeit geleistet  habe. „Das hat Theo geprägt“, sagt seine Frau.

Zuerst schrieb sich Herzer in Mainz ein, wo er zwei Jahre blieb und die Prüfungen in Hebräisch und Griechisch ablegte. Zwei Jahre Göttingen, mit einem Jahr Unterbrechung in Utrecht aufgrund eines Stipendiums, schlossen sich an. Nach dem Examen ging er als Vikar für ein Jahr nach Ludwigshafen und Kaiserslautern. Ein Stipendium führte ihn in Amerikas Mitte, von wo er sich das Land erschließen konnte. Das Studium in der Ferne sei hervorragend verlaufen und er habe dort oft mit seinem Orgelspiel ausgeholfen. In Enid/Oklahoma lernte er mit 27 auch die aus Salt Lake City stammende Studentin Shirley Garlett kennen, die 1960 seine Frau wurde. „Er musste nach Hause, und ich wollte nicht in einem fremden Land heiraten“, erklärt Shirley Herzer, weshalb zwischen Kennenlernen und Hochzeit nicht viel Zeit verging. Die Flitterwochen verbrachten sie im Yellowstone-Nationalpark. Direkt im Anschluss ging es mit dem Schiff nach Deutschland.

Was ihr an ihm gefiel? „Er war ein hübscher Mann, viel klüger als die meisten anderen. Vor allem hatte er ein wunderbares Gedächtnis. Es gab nichts, was er nicht konnte.“ Theos Brüder holten die kleine Familie mit dem riesigen Überseekoffer in Rotterdam ab. An der Apostelkirche in Kaiserslautern arbeitetet Theo Herzer als Vikar. Nach der bestandenen zweiten Prüfung bekam er seine erste Stelle in Kirchheim. 1961 bis 1969 bekam die Familie Zuwachs – zwei Jungs und zwei Mädchen wurden geboren. 20 Jahre arbeitete und wohnte Theo Herzer in der „netten Gemeinde“ an der Weinstraße, bis 1981 eine Dekanstelle in Grünstadt ausgeschrieben war. „Wenn ihr mich wählt, tut ihr euch einen Gefallen, wenn ihr mich nicht wählt, tut ihr meiner Familie einen Gefallen“, soll er damals seine Zufriedenheit in Kirchheim erklärt haben. Doch die Grünstädter wollten ihn.

In der großen Pfarrei der Martinskirche fiel viel Arbeit an – Taufen, Beerdigungen, Religionsunterricht in den Schulen, Vorträge in der ökumenischen Winterarbeit und viele gemeinsame Veranstaltungen mit der katholischen Gemeinde. Zweimal ging er mit Missionsgruppen nach Afrika. In der Berufsschule habe er besonders gern Kinder betreut, die nicht so leicht lernten. Auch als Vater sei er immer da gewesen, wenn die Kinder ihn gebraucht haben.

Im Urlaub zeltete die Familie meist im Süden Europas immer da, wo es Plätze mit einer interessanten Geschichte gab, über die Theo Herzer immer zu berichten wusste. Seine Kinder habe er bei der Berufsentscheidung sehr unterstützt. Auch Theo Herzer hatte schon Pläne – allerdings für den Ruhestand nach 1998. Er renovierte sein Elternhaus in St. Ingbert und wollte eigentlich Vorlesungen an der Uni besuchen. Doch er sei einem Angebot als Gastpfarrer aus Bayern gefolgt.  Arbeitsaufenthalte in der Schweiz kamen hinzu. Mehrmals im Jahr waren Shirley und Theo Herzer so noch dienstlich unterwegs.

„Bei ihm hieß Pfarrer i.R. nicht ,in Ruhe‘, sondern ,in Rufweite‘“, sagt Andreas Herzer über das Engagement seines Onkels. Auf einer Urlaubsvertretung am Genfer See starb Theo Herzer im Juni 85-jährig ganz unerwartet im Schlaf. „Er war so gern Pfarrer“, sagt seine Frau. Er mochte die Menschen, und diese mochten ihn. Zur Beerdigung kamen viele Trauernde aus seinen ehemaligen Gemeinden.

In Nachrufen wurde seine Rundfunkarbeit gewürdigt, seine Übersetzungen biblischer Texte für die europäische Missionsgesellschaft und vor allem die „großartige Freundschaft“. Man liebte den Humor des Mannes, der mit „Herzerlichen Grüßen“ unterschrieb. „Er hatte eine Art, zu predigen, die nie langweilig war“, sagt seine Frau. Er habe als Mitglied des Prüfungskomitees auch junge Pfarrer ermutigt, auf der Kanzel Lebensfreude zu zeigen. Für alle habe er ein großes Herz gehabt und sei auch mit den Ärmsten ins Gespräch gekommen. Von seiner Frau bekommt er posthum noch eine Liebeserklärung: „Er war der liebste Mensch, den ich kenne.“

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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