Whistleblower Für Putin nützlich, von Trump vergessen?

MOSKAU/WASHINGTON (dpa)  Nach fünf Jahren Asyl in Russland hat Edward Snowden keine Angst vor seinen Gastgebern. Mit scharfer Zunge teilt der US-Whistleblower aus gegen Präsident Wladimir Putin und dessen Führung.

 Whistleblower Edward Snowden im Oktober 2013 in Moskau.

Whistleblower Edward Snowden im Oktober 2013 in Moskau.

Foto: dpa/Handout

„Die russische Regierung ist in vielerlei Hinsicht korrupt“, sagte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Ende Juni der „Süddeutschen Zeitung“. Damals stand Putin gerade als Gastgeber der Fußball-WM im Rampenlicht, an deren Glanz nichts kratzen sollte. Snowden fuhr die Krallen aus: „Die Russen sind warmherzig, sie sind klug. Ihre Regierung ist das Problem, nicht das Volk.“

Fünf Jahre ist es her, dass der damals von den USA meistgesuchte Mensch nach einer Hollywood-reifen Flucht Asyl in Russland bekam. 2013 hatte Snowden Journalisten im großen Stil vertrauliche Dokumente über massive Abhörpraktiken des US-Geheimdienstes NSA und anderer Dienste zugespielt. Seine Enthüllungen wirken bis heute nach. Gegner sehen in Snowden einen Verräter, Anhänger wünschen ihm den Friedensnobelpreis. Zunächst floh Snowden von Hawaii nach Hongkong, dann flog er weiter nach Moskau. Eigentlich wollte er in der russischen Hauptstadt nur umsteigen. Doch die USA hatten seinen Pass in der Zwischenzeit für ungültig erklärt. Plötzlich saß Snowden fest – im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo. Medien nannten ihn das „Phantom von Moskau“, kaum einer bekam ihn in den gut sechs Wochen zu Gesicht. Am 1. August 2013 gewährte ihm Russland Asyl. Es gilt noch bis 2020. Streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit lebt Snowden seitdem in Russland. Er twittert viel, tritt per Videoschalte bei Konferenzen zu Pressefreiheit und IT-Sicherheit auf. Immer wird dabei penibel darauf geachtet, dass sein Standort geheim bleibt. 

In den USA wird Snowden per Haftbefehl gesucht. Im Falle einer Rückkehr würde Snowden nach jetzigem Stand in drei Punkten angeklagt, davon in zwei Punkten auf Grundlage des Spionage-Gesetzes. Demnach würde Snowden nur vor einem Richter stehen, eine Jury gäbe es nicht. Eine Verurteilung gälte als sicher. Alle drei Punkte der Strafanzeige sehen jeweils eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Doch sowohl Präsident Donald Trump als auch der Ex-CIA-Chef und jetzige Außenminister Mike Pompeo favorisieren die Todesstrafe. Im Fall Snowden liegen bei Trump jedoch Welten zwischen Worten und Taten. Als Präsident habe Trump kein Verlangen gezeigt, Putin wegen Snowden zu konfrontieren, schreibt das Nachrichtenmagazin „Politico“. Dieser sei von Trumps Aufgabenliste praktisch verschwunden. Die US-Presse spekuliert, ob Trump und Putin den Fall auf ihrem Gipfel im Juli in Helsinki angesprochen haben. Denn Snowden kommentiert und kritisiert via Twitter immer wieder Vorgänge in den USA. Auch zu Trump hat er eine Meinung: „Ehrlich gesagt, jeder, der Trump drei Minuten lang zuhört, weiß, dass er eine Abrissbirne ist.“

Das Thema Snowden spielt in der US-Öffentlichkeit aber keine Rolle. Dennoch gibt sich Snowden keinen Illusionen hin, dass diese Ruhe trügerisch sein könnte. Es scheine ziemlich klar zu sein, dass Trump niemanden mehr liebe als den russischen Präsidenten, sagte er im Mai. „Wird er versuchen, einen Deal zu machen? Vielleicht.“

Snowden als Verhandlungsmasse für Trump und Putin? Nach russischer Darstellung war eine Auslieferung beim Gipfel kein Thema. Was Russland vom Asyl für Snowden hat, darüber wird viel spekuliert. Experten sagen, er sei für den Kreml nützlich. Denn so könne der Ex-Geheimdienstler Putin sich als Wahrer der Menschenrechte darstellen, der einen Whistleblower vor den Fängen der USA schützt.

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